Bildberichterstattung aus Strafverfahren
Die Frage der Zulässigkeit der Herstellung von Ton,- Film- und Fernsehaufnahmen in Gerichtsverfahren ist bekanntlich seit langem in § 169 GVG und für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in § 17a BVerfGG im Sinne eines prinzipiellen Verbots geregelt und durch die am 14.04.2018 in Kraft getretene Novellierung dieser Bestimmungen im wesentlichen nur insoweit liberalisiert worden, als derartige Aufnahmen von der Verkündung von Entscheidungen durch das BVerfG und den BGH gefertigt und verbreitet werden dürfen. Der Versuch des ZDF, die Wirksamkeit dieses generellen Verbots unter Berufung auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit anzugreifen, ist vom BVerfG zurückgewiesen worden (BVerfG AfP 2001, 48 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen). Die genannten gesetzlichen Bestimmungen sind grundrechtskonform, soweit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit bei ihrer Anwendung im Einzelfall angemessen Rechnung getragen wird.
Demgegenüber kennt das Gesetz kein Verbot fotografischer Aufnahmen der an Gerichtsverfahren beteiligten Personen – sei es aus dem Verhandlungssaal vor oder während der Verhandlungen, sei es aus den öffentlich zugänglichen Bereichen des Gerichtsgebäudes. Fotojournalisten dürfen im Prinzip dort ihrem beruflichen Auftrag nachgehen, eine Einschränkung kann sich an sich nur aus dem Recht am eigenen Bild der abgebildeten Personen ergeben. Natürlich kann dies insbesondere in Strafverfahren mit prominenten Beteiligten oder spektakulären Verfahrensgegenständen zu Störungen führen, die den Verfahrensgang erheblich beeinträchtigen. Die Gerichte behelfen sich daher seit jeher mit sitzungspolizeilichen Verfügungen, mit denen der Gerichtsvorsitzende oft Bestimmungen erlässt, die denjenigen nachempfunden sind, die für die Ton-, Film- und Fernsehberichterstattung gelten. So wird die Anzahl im Saal fotografierender Medienvertreter analog der für Fernsehaufnahmen entwickelten Pool-Lösungen limitiert, wird das Fotografieren im Gerichtssaal, häufig aber auch schon vor dem Saal nach Eintritt in die Verhandlung in aller Regel untersagt. In einem unlängst vom BVerfG entschiedenen Fall (BVerfG NJW 2020, 38) hatte der Vorsitzende des zuständigen Spruchkörpers das Fotografieren durch mehr als vier Fotografen, während einer Zeit von mehr als zehn Minuten vor Beginn der Verhandlung und damit auch in Verhandlungspausen und nach Beendigung der Verhandlung untersagt und generell angeordnet, dass sämtliche Aufnahmen von Angeklagten und Zeugen zu anonymisieren seien; dies im Fall der Weitergabe von Fotos durch Poolführer an nicht zur Verhandlung zugelassene Medien sogar schon vor der Weitergabe.
Dem hat nun das BVerfG im Anschluss an eine frühere Entscheidung (BVerfG NJW 2014, 3013) durch Erlass der von den Medienvertretern beantragten Einstweiligen Anordnung einen deutlichen Riegel vorgeschoben. Derartige Anordnungen sind danach als Eingriff in das Grundrecht der Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG schon dann verfassungswidrig, wenn das Gericht sie nicht begründet und insbesondere nicht für jeden einzelnen Anordnungsfall konkret darlegt, warum das Verbot oder die Anordnung zur Gewährleistung eines geordneten Verfahrensablaufs erforderlich ist. Schon das Fehlen der Begründung führt mithin in diesen Fällen zur Unwirksamkeit der sitzungspolizeilichen Anordnung. Auf die Frage, ob die erforderliche Abwägung der Medienfreiheiten einerseits und des legitimen Interesses an der ungestörten Durchführung des Verhandlung andererseits die angefochtenen Anordnungen oder einzelne von ihnen hätte legitimieren können, kommt es nicht an. Zwar hindert, wie das BVerfG klar stellt, die erlassene Einstweilige Anordnung den im konkreten Fall tätigen Spruchkörper nicht daran, einzelne der aufgehobenen sitzungspolizeilichen Verfügungen unter Beachtung des Begründungszwangs und des allein durch ihn zum Ausdruck kommenden Stellenwerts der Medienfreiheiten erneut zu erlassen. Das BVerfG gibt aber in den nur kurzen Gründen dieser Entscheidung mit nicht zu übersehender Deutlichkeit zu erkennen, wo die Grenzen einer solchen Anordnungsbefugnis verlaufen könnten. Man kann die Konsequenz, mit der das Gericht in diesem Fall der Berichterstattungsfreiheit der Medien erneut Geltung verschafft, nur begrüßen. In meiner persönlichen Sicht: ein Punktsieg für die Medienfreiheiten und ein guter Start in das neue Jahrzehnt.
Mit den Fragen der Teilnahme der Medien an Gerichtsverhandlungen und insbesondere der Herstellung von Tonaufnahmen und bewegten oder unbewegten Bildern befasst sich die 6. Auflage unsres „Presserecht“ in Rz. 6.12 ff, 6.21 f.