Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 37)
Ausnahmsweise Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste zum Handelsregister; einstweiliger Rechtsschutz
1. Der einstweilige Rechtsschutz kann sich ausnahmsweise auf die Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste zum Handelsregister erstrecken, wenn das Vorgehen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erkennbar darauf ausgerichtet ist, den präventiven Rechtsschutz eines Gesellschafters zu vereiteln.
2. Die Rechtsordnung hat einem Gesellschafter maximalen effektiven Rechtsschutz zu gewähren, wenn die anderen Gesellschafter die Geschäftsanteile des betroffenen Gesellschafters auf einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung entgegen einer früheren richterlichen Anordnung eingezogen haben und die Gesellschaft dem betroffenen Gesellschafter kein Protokoll über die Gesellschafterversammlung übersandt und die geänderte Gesellschafterliste ohne Anhörung des betroffenen Gesellschafters heimlich zum Handelsregister eingereicht hat und im Nachgang jeden Kontaktversuch des betroffenen Gesellschafters ablehnt. In einem solchen Ausnahmefall ist der einstweilige Rechtsschutz nicht auf die Erhaltung des status quo beschränkt (Zuordnung eines Widerspruchs gegen die geänderte Gesellschafterliste und Verpflichtung zur Behandlung als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten), sondern umfasst auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Handelsregisters (Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste), um die Regelungssystematik des § 16 GmbHG wiederherzustellen.
(alle amtl.)
OLG Zweibrücken 2.4.2024, 2 AR 20/23
Bestimmung des Gerichtsstands bei passiver Streitgenossenschaft der Prüfungsgesellschaft und dessen gesetzlicher Vertreter
1. Die Prüfungsgesellschaft, die ihre vertragliche Pflicht zur gewissenhaften und unparteiischen Abschlussprüfung verletzt, und deren gesetzliche Vertreter, die an der Prüfung mitgewirkt haben, bilden eine passive Streitgenossenschaft i.S.d. § 60 ZPO.
2. Haben die Streitgenossen keinen gemeinsamen inländischen Gerichtsstand, ist der Gerichtsstand gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach den Grundsätzen von Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit zu bestimmen.
3. In Fällen der Abschlussprüferhaftung hat die Belegenheit etwaiger prüfungsrelevanter Dokumente im Zeitalter der Digitalisierung keine entscheidende Bedeutung für die Gerichtsstandbestimmung. Maßgeblich kann aber etwa die Ansässigkeit der Zeugen sein.
(alle nicht amtl.)
BFH 31.1.2024, X R 7/22
Anforderungen an gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung und zur Auslösung der Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 7 AO
1. Nur Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnungen der Verfolgungsbehörde oder des Richters unterbrechen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG die Verfolgungsverjährung, nicht aber Anordnungen der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.
2. Durchsuchungsanordnungen müssen angesichts ihrer Grundrechtsrelevanz inhaltliche Mindestanforderungen erfüllen (u.a. tatsächliche Angaben über den Tatvorwurf, Angabe der Art und des denkbaren Inhalts der Beweismittel, denen die Durchsuchung gilt). Sind diese inhaltlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt, hat eine Durchsuchungsanordnung nicht die in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG vorgesehene verjährungsunterbrechende Wirkung.
3. Wenn es für die Frage, ob eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO eingetreten ist, auf die verjährungsunterbrechende Wirkung einer Durchsuchungsanordnung ankommt, hat das FG Feststellungen zu treffen, ob darin die genannten inhaltlichen Mindestanforderungen erfüllt sind. Dies darf nicht als gegeben unterstellt werden.
4. Zwar ist im Steuerfestsetzungsverfahren die Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses aufgrund der Tatbestandswirkung der Entscheidungen anderer Gerichte grundsätzlich nicht überprüfbar. Die Tatbestandswirkung tritt aber nur ein, wenn der Beschluss nicht angefochten oder ein Rechtsmittel des Betroffenen zurückgewiesen wurde. Das setzt voraus, dass überhaupt Gelegenheit zur Anfechtung des Beschlusses bestanden hat.
(alle amtl.)