29.04.2024

Bemessung des Schadensersatzes für die Nichtbeschäftigung von Profisportlern

Die für den Bereich der Bühnenkünstler entwickelte Rechtsprechung zum pauschalierten Schadensersatz von bis zu sechs Monatsgagen pro Spielzeit bei einer Verletzung des Beschäftigungsanspruchs kann nicht auf den Profimannschaftssport übertragen werden.

BAG v. 29.2.2024 - 8 AZR 359/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Schadensersatzanspruch wegen der Nichtbeschäftigung des Klägers als Eishockeyspieler. Der Kläger war seit der Saison 2017/2018 bei der Beklagten als Eishockeyprofi in der DEL 2 mit einer monatlichen Bruttovergütung von ca. 6.400 € beschäftigt.

Im Juni 2020 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aus. Gleichzeitig bot sie ihm an, das Arbeitsverhältnis mit einer verringerten Vergütung fortzusetzen. Hintergrund waren die aufgrund der Corona-Pandemie verringerten Einnahmen der Vereine. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an und erhob eine Änderungsschutzklage.

Letztlich waren die Kündigungsschutzklagen - auch gegen eine später ausgesprochene außerordentliche Kündigung - erfolgreich, jedoch wurde der Kläger zeitweilig daran gehindert, am Mannschaftstraining sowie am Spielbetrieb teilzunehmen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, aufgrund der Weigerung der Beklagten, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen, habe er einen Anspruch auf Schadensersatz.

Durch die unterbliebene Beschäftigung sei ihm ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstanden. Der Schaden sei nach den von der Rechtsprechung für Bühnenkünstler entwickelten Grundsätzen zu bemessen, die auf Profimannschaftssportler zu übertragen seien. Er habe als Eishockeyprofi seine beruflichen Fertigkeiten nicht im Mannschaftstraining weiterentwickeln und verbessern können. Dadurch habe sein Marktwert gelitten, denn ein Profimannschaftssportler bedürfe der ständigen Trainingspraxis. Hintergrund der Suspendierung sei ausschließlich gewesen, dass er eine Entgeltkürzung infolge der Coronapandemie nicht akzeptiert habe. Nach den von der Rechtsprechung für Bühnenkünstler entwickelten Rechtsgrundsätzen sei sein Schaden pauschal mit sechs Bruttomonatsvergütungen zu bemessen.

Das ArbG gab der Schadensersatzklage teilweise statt, das LAG wies die vom Kläger geführte Berufung zurück. Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Zwar hat das LAG zutreffend erkannt, dass die Beklagte die ihr aus dem Arbeitsverhältnis obliegende Pflicht iSv. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt hat, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag zu beschäftigen. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gegen die Beklagte, da er schon nicht ausreichend dargelegt hat, dass ihm infolge der Verletzung der Beschäftigungspflicht ein Schaden iSv. §§ 249 ff. BGB entstanden ist.

Dem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil des LAG nicht stand. Das LAG hat seiner Entscheidung einen unrichtigen Maßstab zugrunde gelegt, soweit es davon ausgegangen ist, Schadensersatzansprüche von Profimannschaftssportlern seien in Anlehnung an die Rechtsprechung für Bühnenkünstler pauschalierend festzusetzen.

Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit hat in jahrzehntelanger Praxis Maßstäbe für eine angemessene Schätzung nach § 287 ZPO entwickelt (vgl. BAG 18.3.1999 - 8 AZR 344/98). Für eine Spielzeit, während derer der Künstler nicht beschäftigt wurde, wird nach der Rechtsprechung des BAG ein Schadensbetrag von bis zu sechs Monatsgagen festgesetzt.

Diese auf die besondere Situation von Bühnenkünstlern zugeschnittene, von der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit entwickelte und vom Bundesarbeitsgericht gebilligte, stark pauschalierende Anwendung von § 287 ZPO kann nicht auf professionelle Mannschaftssportler übertragen werden. Es bestehen in Bezug auf einen möglichen Schaden infolge pflichtwidrig unterbliebener Beschäftigung zwischen Bühnenkünstlern und Profimannschaftssportlern Unterschiede, die einer Übertragung der auf Bühnenkünstler zugeschnittenen Rechtsprechung entgegenstehen.

Für eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO, der einem Profimannschaftssportler infolge seines Ausschlusses vom Mannschaftstraining entsteht, bedarf es greifbarer Anknüpfungstatsachen. Der Kläger hat bislang weder greifbare Anknüpfungstatsachen, die eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO ermöglichen, noch ausreichend Vortrag gehalten, der eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zur Ermöglichung weiteren Vortrags rechtfertigen könnte.

Die Sache ist nicht an das LAG zurückzuverweisen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, hierzu weiter ergänzend vorzutragen. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass die Vorinstanzen eine pauschalierende Schadensschätzung nach den für Bühnenkünstler geltenden Grundsätzen vorgenommen haben. Der Kläger hätte gleichwohl ohne gerichtlichen Hinweis in Betracht ziehen müssen, dass das Gericht die vom Kläger befürwortete Übertragung der Rechtsprechung für Bühnenkünstler auf Profimannschaftssportler ablehnen könnte und nähere Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO erforderlich sein könnten.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Schadensersatz wegen Nichtbeschäftigung eines Bühnenkünstlers
BAG vom 18.3.1999 - 8 AZR 344/98

Rechtsprechung:
Beschäftigungsanspruch eines Chefarztes - Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts aufgrund von Nichtbeschäftigung
LAG Berlin-Brandenburg vom 28.10.2020 - 25 SA 1105/20

Aufsatz:
Die Freistellung des Arbeitnehmers
Jörg Laber / Stefanie Stanka, ArbRB 2021, 61

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