Kindergeldanspruch kann auch während eines mehrjährigen Auslandsstudiums bestehen
BFH 23.6.2015, III R 38/14Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger mit chinesischer Herkunft. Sein 1994 geborener Sohn absolvierte nach der schule zunächst einen einjährigen Sprachkurs in China und entschied sich daraufhin für ein im September 2013 beginnendes vierjähriges Bachelorstudium in China. Während des Studiums wohnte der Sohn in einem Studentenwohnheim. Verwandtschaftliche Beziehungen bestanden am Studienort nicht. In den Sommersemesterferien 2013 und 2014 kehrte der Sohn für jeweils etwa sechs Wochen nach Deutschland zurück und wohnte während dieser Zeiten in der elterlichen Wohnung in seinem Kinderzimmer.
Die Familienkasse war der Ansicht, dass der Sohn seinen Wohnsitz vom Inland nach China verlegt habe und hob die Kindergeldfestsetzung ab September 2013 auf. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision der Familienkasse blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Voraussetzung eines Kindergeldanspruchs ist u.a., dass das Kind einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Diese Voraussetzungen hatte der Sohn des Klägers im Streitzeitraum September 2013 bis März 2014 erfüllt. Insofern war davon auszugehen, dass der Sohn trotz seines Studiums in China einen inländischen Wohnsitz beibehalten hatte.
Da vorübergehende, weniger als einjährige Auslandsaufenthalte grundsätzlich nicht zum Wegfall des Inlandswohnsitzes führen, war der vor dem Studium vom Sohn des Klägers durchgeführte Sprachkurs als unproblematisch anzusehen. Doch selbst im Hinblick auf das Studium hatte noch keine Wohnsitzverlagerung nach China stattgefunden. Maßgeblich war insofern, dass der Sohn mindestens die Hälfte seiner ausbildungsfreien Zeit in Deutschland verbrachte und seine Wohnverhältnisse sowie persönlichen Bindungen einen stärkeren Bezug zum Inland als zum Studienort aufwiesen.
Unerheblich war, ob der Kläger oder sein Sohn über ausländische Wurzeln verfügten. Dies entspricht der Einordnung des Merkmals der Staatsangehörigkeit durch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Anders als die - gegebenenfalls durch die Herkunft begründeten - persönlichen Beziehungen am Ausbildungsort, vermag die Herkunft regelmäßig nichts darüber auszusagen, ob das Kind seinen bisherigen Inlandswohnsitz aufgegeben und anstelle dessen einen neuen Wohnsitz am Ausbildungsort begründet hat.
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