Rechtsprechungsänderung bei der Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen
BFH 18.6.2015, VI R 17/14Die Klägerin hat, nachdem ihre Mutter im Jahr 2007 verstorben war, ausweislich des aufgefundenen Testaments, einen Erbschein beantragt. Während des Erteilungsverfahrens zweifelte ihr Bruder die Rechtmäßigkeit des Testaments an, infolgedessen es zu einem Zivilrechtsstreit kam, in dem zunächst zu Gunsten der Klägerin entschieden wurde. Auf die Beschwerdeentscheidung des LG erhob das AG im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens und erteilte der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein.
Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin im Streitjahr 2010 Rechtsanwaltskosten i.H.v. rund 3.460 € und Gerichtskosten i.H.v. 3.866 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden. Sie machte die Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Gegen den darauf folgenden Einkommensteuerbescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der geänderten BFH-Rechtsprechung (Urt. v. 12.5.2011, Az.: VI R 42/10) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.
Das Finanzamt wies den Einspruch zurück. Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab. Und auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Die geltend gemachten Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG zu berücksichtigen.
Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 12.5.2011 (Az.: VI R 42/10) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung angenommen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Schließlich seien streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Da die Parteien zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche mithin auf den Weg vor die Gerichte verwiesen würden, entstünden Zivilprozesskosten für den Kläger wie auch für den Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig.
Das Senatsurteil hat neben Zustimmung vielfach auch Kritik erfahren. Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an seiner damals vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Der Senat kehrt unter Aufgabe seiner in dem Urteil vom 12.5.2011 (Az.: VI R 42/10) vertretenen Ansicht zu der früheren BFH-Rechtsprechung zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Der Senat ist der Ansicht, dass hier schwerwiegende sachliche Gründe, und zwar vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eine Änderung der Rechtsprechung des Senats gebieten.
Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist. Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Nach diesen Maßstäben kam im vorliegenden Fall die Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht.
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