25.07.2014

Zur Berücksichtigung von Gerichtskosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung

Gerichtskosten eines Zivilprozesses sind als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, denn für den Steuerpflichtigen, der sein Recht durchsetzen will oder muss, ist im Rechtsstaat die Beschreitung des Rechtsweges unausweichlich. Zivilprozesskosten sind danach nur dann nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige sich mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat bzw. wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hätte.

FG Düsseldorf 13.2.2014, 12 K 3227/12 E
Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung von Gerichtskosten aus einem Zivilprozess i.H.v. 8.726 € als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG streitig. Die Kläger erwarben mit Vertrag vom 26.10.2005 eine von dem Verkäufer, einer Bauträgergesellschaft, noch zu errichtende Doppelhaushälfte in "A" zum Preis von 266.927 €. Im Jahr 2007 kam es im Zusammenhang mit der Fertigstellung und Übergabe des Gebäudes zum Streit, der zu einem im Namen der Klägerin geführten Rechtsstreit vor dem LG führte.

Die Klägerin obsiegte in diesem Klageverfahren zum ganz überwiegenden Teil - die Bauträgergesellschaft wurde jedoch im Jahr 2009 insolvent, so dass nach Abschluss des Verfahrens die Klägerin mit Rechnung der Gerichtskasse vom 26.2. als haftende Zweitschuldnerin für die von der unterlegenen Partei zu tragenden Verfahrenskosten (88 Prozent = 8.726 €) in Anspruch genommen wurde.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2010 machten die Kläger diese Zahlung als außergewöhnliche Belastung geltend und bezogen sich dabei auf eine neue Entscheidung des BFH zur Berücksichtigungsfähigkeit von Zivilprozesskosten gem. § 33 EStG, "soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig sei". Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der Kosten im Veranlagungsbescheid ab.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 8.726 € zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt.

Nach dem Urteil des BFH vom 12.5.2011 (VI R 42/10) können Zivilprozesskosten den Prozessbeteiligten auch unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Denn für den Steuerpflichtigen, der sein Recht durchsetzen will oder muss, ist im Rechtsstaat die Beschreitung des Rechtsweges unausweichlich. Zivilprozesskosten sind danach nur dann nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige sich mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat bzw. wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hätte.

Vorliegend sind die geltend gemachten Verfahrenskosten für den Zivilprozess vor dem LG der Klägerin in jedem Fall zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG entstanden. Zum einen ergibt sich aus dem überwiegend stattgebenden Urteil des LG, dass die Klägerin aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens des Verkäufers zur Durchsetzung ihrer Rechte gezwungen war, Klage zu erheben. Die Klägerin hat weder mutwillig noch leichtfertig Klage erhoben, die Rechtsverfolgung hatte Aussicht auf Erfolg. Das Prozesskostenrisiko realisierte sich bzgl. der hier streitigen Kosten nicht aufgrund eines Unterliegens im Prozess, sondern aufgrund der bei Klageerhebung im September 2007 für die Klägerin nicht absehbaren Insolvenz des Verkäufers im Verlauf des Jahres 2009. Allein auf letzterem Umstand beruht die Inanspruchnahme der Klägerin als Zweitschuldnerin der Verfahrenskosten.

Zum anderen war der Zivilprozess für die Kläger auch unzweifelhaft von wirtschaftlich existenzieller Bedeutung. Die Kläger erwarben die Doppelhaushälfte zur Selbstnutzung durch ihre Familie. Sie hatten im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits rund 221.000 € gezahlt und waren mit entsprechenden Zinsverpflichtungen belastet, bei gleichzeitigem Weiterbestehen der bisherigen Wohnaufwendungen. In dieser Situation gerieten die Kläger durch die Weigerung des Verkäufers, ihnen den Besitz zu übertragen, der Auflassung zuzustimmen sowie die bereits erkennbaren Mängel zu beseitigen, in eine Zwangslage, die eine Klageerhebung vor dem Zivilgericht und die Übernahme eines entsprechenden Prozessrisikos erforderlich machte. Ohne diesen Zivilrechtsstreit hätten die Kläger aller Voraussicht nach einen ganz erheblichen wirtschaftlichen Schaden erlitten.

Insofern liegt eine Sachverhaltsgestaltung vor, bei der auch nach bisheriger Rechtsprechung eine Zwangsläufigkeit der Zivilprozesskosten vorgelegen hätte. Der Einwand, die Prozesskosten seien nur insoweit anteilig zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG wie sie auf die eingeklagte Übertragung des Grundstücks entfielen, greift nicht durch. Der Verkäufer machte vertragswidrig die Besitzübertragung und Zustimmung zur Auflassung von der Zahlung der letzten Kaufpreisrate abhängig, welche erst nach vollständiger Mängelbeseitigung fällig war. Durch dieses - rechtswidrige - Verhalten des Verkäufers wurden die Streitpunkte derart miteinander verknüpft, dass die Kläger zur Durchsetzung ihrer Rechte gezwungen waren, sowohl auf Besitzübertragung und Zustimmung zur Auflassung als auch auf Mängelbeseitigung bzw. Schadensersatz zu klagen.

Linkhinweis:

Rechtsprechungsdatenbank NRW
Zurück