18.04.2016

Schöner Schein – Oder der erbschaftsteuerliche Wert von Gegenleistungen

Portrait von Prof. Dr. Manzur Esskandari
Prof. Dr. Manzur Esskandari RA/FAStR/FAArbR/FAStrafR

Nach § 7 Abs. 3 ErbStG werden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung liegt vor, wenn die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Dies ist der Fall, wenn die Zuwendung weder in rechtlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung noch zur Erfüllung einer Verbindlichkeit. Die Bereicherung muss objektiv unentgeltlich sein.

§ 7 Abs. 3 ErbStG zielt ausschließlich auf das objektive Merkmal der Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Bei der Feststellung dieser Frage sind Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können nicht zu berücksichtigen. Auch dann also, wenn sich der Bedachte zur Erbringung einer Gegenleistung verpflichtet, die eben nicht in Geld veranschlagt werden kann, liegt eine reine Schenkung und nicht etwa eine gemischte Schenkung vor; die Gegenleistung, deren Wert nicht in Geld veranschlagt werden kann, führt nicht zu einer, die Bereicherung des Bedachten mindernden, gemischten Schenkung.

Eine Leistung kann insbesondere dann nicht „in Geld veranschlagt“ werden, wenn sie aus Sicht des ErbStG noch gar nicht entstanden ist. Bedeutung hat dies vor allem im Zusammenhang mit familienrechtlichen Ansprüchen (Eheschließung, elterliche Zustimmung zur Eheschließung, Einwilligung in die Ehescheidung, Scheidungsbereitschaft).

Beispiel: F schloss mit ihrem Ehemann M einen Ehe- und Erbvertrag. Danach verpflichtete sich M zum Ausgleich des bisher erwirtschafteten Zugewinns der F einen Geldbetrag von 310.000 DM zu zahlen sowie ein Grundstück und Miteigentumsanteile an weiteren Grundstücken zu übertragen. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft wurde nicht beendet, sondern dahingehend modifiziert, dass im Falle der Scheidung kein weiterer Ausgleich erfolgen und bei Beendigung des Güterstandes durch Tod eines Ehegatten bestimmte Vermögensteile unberücksichtigt bleiben sollten.

Lösung: Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). F wurde durch die Zuwendungen aufgrund des Ehe- und Erbvertrages dem Vermögen des M objektiv bereichert. Die Zuwendungen des M führten zu einer Vermögensmehrung bei F. Die Bereicherung erfolgte auch endgültig, da F die Zuwendungen unabhängig von einem erst künftig möglicherweise entstehenden (Zugewinnausgleichs-)Anspruch behalten durfte. Auch stand F am jeweils maßgeblichen Stichtag kein Anspruch auf Zugewinnausgleich gegen ihren M zu. Die Zugewinnausgleichsforderung konnte nämlich erst mit der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes entstehen (§ 1378 Abs. 3 BGB). F und M haben durch den Ehe- und Erbvertrag den gesetzlichen Güterstand gerade nicht beendet, sondern – wenn auch stark modifiziert und eingeschränkt – weiter fortgeführt.

Für die Praxis gilt daher: Sollten Ausgleichszahlungen, welche die Freibeträge überschreiten und nicht in der steuerfreien Übertragung des Familienwohnheims gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG bestehen, allenfalls aufschiebend bedingt für den Scheidungsfall versprochen und ausgeführt werden. Dies gilt besonders bei Verträgen von Verlobten, die noch nicht über die Freibeträge für Ehegatten verfügen können.

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