Wirksamkeit einer Poolvereinbarung
Der BFH hat in seiner Entscheidung v. 20.2.2019 zu den Voraussetzungen an die Form von Poolvereinbarungen Stellung genommen:
Der Kläger (Kl.) erbte von seinem Vater ein Einzelunternehmen mit einem steuerlichen Wert von etwa 1,8 Mio. €. Wesentliches Vermögen dieses Unternehmens war eine 12 %ige Beteiligung an der Y-GmbH mit einem steuerlichen Wert von etwa 1,65 Mio. €, also rd. 91 % des gesamten Werts des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens. An der Y-GmbH waren neben dem Vater (12 %) auch der Kl. mit 74 % und die Z-KG mit 14 % beteiligt, an der der Kl. wiederum zu 100 % beteiligt war.
Der Gesellschaftsvertrag der Y-GmbH sah vor, dass die Abtretung von Geschäftssanteilen vorbehaltlich der Einwilligung aller Gesellschafter zur Abtretung an einen oder mehrere Dritte nur an Gesellschafter und deren Abkömmlinge zulässig war. Außerdem hatte der Erblasser lt. Gesellschaftsvertrag ein höchstpersönliches und nicht auf die Erben übergehendes Stimmrecht in zehnfacher Höhe.
Das FA und das FG (FG Münster v. 9.6.2016 – 3 K 3171/14 Erb, EFG 2016, 1530 = ErbStB 2016, 331 [Halaczinsky]) beurteilten die 12 %ige Beteiligung an der Y-GmbH als Verwaltungsvermögen. Dadurch wurde die Betriebsvermögensvergünstigung nach § 13a ErbStG für das Einzelunternehmen versagt, weil dessen Verwaltungsvermögenquote somit mehr als 50 % betrug.
Dagegen ging der Kl. vor den BFH und trug vor, dass eine wirksame Poolvereinbarung vorgelegen habe, die zu einer Zusammenrechnung der Anteile und somit zu einem Übersteigen der Beteiligungsquote auf mehr als 25 % führte. Dadurch wäre die GmbH-Beteiligung keine Verwaltungsvermögen und der Erwerb des Einzelunternehmens nach § 13a ErbStG begünstigt.
Der BFH hat der Revision stattgegeben und an das FG zurückverwiesen.
Der BFH stellt zunächst klar, dass dem Gesetzgeber bei Abfassung des hier einschlägigen § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG 2009 ein redaktioneller Fehler unterlaufen ist, indem das letzte Wort dieser Vorschrift „ausüben“ statt „auszuüben“ lautet. Diesen Fehler macht er zum einen daran fest, dass in § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG 2009, in dem ebenfalls auf die Poolvereinbarung abgestellt wird, das letzte Wort auch „auszuüben“ heißt. Zum anderen daran, dass der Gesetzgeber den Wortlaut durch das Gesetz zur Anpassung des ErbStG an die Rspr. des BVerfG in § 13b Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 ErbStG geändert und an die Vorschrift des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit dem einheitlichen Wortlaut „auszuüben“ angepasst hat.
Aus dem Wortlaut „auszuüben“ schließt der BFH, dass eine Poolvereinbarung nur dann wirksam ist, wenn zwischen den Gesellschaftern eine rechtliche Verpflichtung i.S. eines klagbaren Anspruchs (§ 194 Abs. 1 BGB) besteht. Dafür reicht ein faktischer Zwang, eine moralische Verpflichtung oder eine langjährige Übung nicht aus. Ebenfalls nicht ausreichend ist das zehnfache Stimmrecht des Erblassers, mit dem er sich in Gesellschaftsentscheidungen zwar stets durchsetzen konnte. Durch dieses Stimmrecht haben sich die weiteren Gesellschafter aber nicht konkludent zu einer einheitlichen Stimmrechtsausübung verpflichtet, sondern nur zugelassen, dass ihr eigenes Stimmrecht entwertet wurde.
Der BFH stellt klar, dass – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in R E 13b.6 Abs. 6 EStR 2011 – für Poolvereinbarungen keine gesetzliche Form vorgeschrieben ist, so dass Stimmrechtsbindungsverträge auch formlos abgeschlossen werden können. Das folgt aus dem Grundsatz der Formfreiheit von Verträgen. Ob eine solche rechtlich bindende Verpflichtung zwischen den Parteien vorlag, hatte das FG nicht abschließend geklärt, sondern alleine auf den Gesellschaftsvertrag der Y-GmbH abgestellt, in dem eine derartige Vereinbarung nicht enthalten war. Im zweiten Rechtsgang muss nun das FG klären, ob es eine mündliche oder zumindest konkludente Poolvereinbarung zwischen dem Vater und dem Kl. gegeben hatte.
Erfreulich ist, dass der BFH auch mündliche und konkludente Poolvereinbarungen anerkennt. Allerdings stellt der BFH in seiner Entscheidung klar, dass die Beweislast für das Zustandekommen einer bindenden Verpflichtung bei demjenigen liegt, der sich darauf beruft, also beim Kl. Außerdem hat der BFH darauf hingewiesen, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Poolvereinbarung im Zeitpunkt der Steuerentstehung vorliegen müssen, im vorliegenden Fall also bei Tod des Erblassers.
Auch wenn der BFH mündliche oder sogar konkludente Stimmrechtsbindungsvereinbarungen zulässt, sollten Sie unbedingt rechtzeitig Beweisvorsorge treffen. Selbstverständlich könnten Sie den Nachweis der Vereinbarung auch durch Zeugen erbringen, was bei Erwerben unter Lebenden oder im Erbfall bei weiteren Mitgesellschaftern regelmäßig gelingen dürfte. Wenn allerdings – wie im Entscheidungsfall – einer der beiden Parteien verstorben ist, bleibt nur zu hoffen, dass sich der Abschluss der Vereinbarung etwa aus Gesellschafterprotokollen ergibt oder eine Dritte Person z.B. ein Fremdgeschäftsführer oder Berater bei Abschluss der Vereinbarung anwesend war und sich an diese noch erinnern kann bzw. eine Gesprächsnotiz angelegt hat.
BFH v. 20.2.2019 – II R 25/16, ErbStB 2019, 221