Immobilien-Erbstreitigkeiten: Gebührenvorschuss als Teil des Lösungsprozesses
In Deutschland werden jährlich rund 300 Milliarden Euro an Werten vererbt. Wenn davon nur ein Drittel strittig ist, reden wir über eine Streitsumme von 100 Milliarden Euro – der Markt ist also enorm. Im Jahr gibt es in Deutschland rund eine Million Erbfälle und eine Eigentumsquote von 42 Prozent. Das heißt, in 420.000 Fällen geht es um das Vererben von Häusern und Eigentumswohnungen.
Bei Nachlassangelegenheiten kommt es besonders oft zum Streit, wenn Häuser im Spiel sind. Zum einen, weil mit diesen Gefühle verbunden sind. Zum anderen, weil die Situation auf dem Immobilienmarkt das Erben erschwert hat: Durch die gestiegenen Marktwerte von Häusern und Grundstücken sind Erben oft nicht mehr in der Lage, andere Mitberechtigte auszuzahlen.
Im Interview mit „Tichys Einblick“ nennt Mediator Dr. Gerhart Flothow drei Gründe, die Konflikte wegen der (Familien-) Immobilien auslösen. Erstens sei der Marktwerkt von Immobilien in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Zweitens sei demgegenüber die allgemeine Liquidität nicht gestiegen, es gab sogar Reallohnverluste. Das bedeutet, dass sich der Wertzuwachs der Immobilien durch Lohneinkommen nicht mehr erwirtschaften lässt. Das erschwert bei Erbschaften, aber auch bei Scheidungen, das Auszahlen von Ansprüchen.
Unter den Miterben grassiere zudem das Phänomen des Phantomverlustes. Aktuell sinken die Immobilienpreise zwar wieder. Für ein Haus, das letztes Jahr noch für 300.000 Euro hätte verkauft werden können, lassen sich heute vielleicht nur noch 250.000 Euro erzielen. Erben neigen jedoch dazu, die höchstmögliche Summe für sich beanspruchen zu wollen, vor allem, wenn sie sich grundsätzlich benachteiligt fühlen. Das sind dann aber 300.000 Euro, die sie erwarten.
Der auf Erbmediation spezialisierte Mediator erläutert im Interview, dass er regelmäßig nur Fälle annimmt, in denen die Klienten bereits einen bestimmten Vorschuss bezahlt haben. Dabei diene die Anzahlung nicht dem finanziellen Eigenschutz. Er beschreibt sie vielmehr als Teil des mediativen Lösungswegs. Denn wenn jemand eine entsprechende Summe überweise, löse das etwas in ihm aus. Es mache ihm klar, dass ihm der Familienfrieden und die Lebenszeit im Grunde wichtiger sind als Geld. Dieser innere Prozess helfe ungemein, um zusammen an einer Lösung zu arbeiten. Eine Beobachtung, die auch aus anderen Zusammenhängen bekannt ist. Aus den geschilderten Gründen fordern bspw. viele Familienmediatoren auch bei großem Einkommensgefälle von beiden Seiten eine Beteiligung an den Kosten der Mediation, die dann in der Höhe freilich unterschiedlich ausfallen kann.
Quelle: www.tichyeinblick.de v. 11.2.2023