12.12.2016

Achtung Ironie! Arbeitnehmer können auch Korrektur eines zu positiven Zeugnisses verlangen

Der Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers kann auch dann nicht erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber vom Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers "nach oben" abweicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich aus dem Gesamteindruck des Zeugnisses ergibt, dass die Bewertungen einen ironischen Charakter haben und damit nicht ernst gemeint sind.

LAG Hamm 14.11.2016, 12 Ta 475/16
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren darum, ob die Arbeitgeberin den Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers erfüllt hat.

In einem Vergleich hatten die Parteien vereinbart, dass die Arbeitgeberin vom Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers nur aus wichtigem Grund abweichen darf. Tatsächlich hielt sich die Arbeitgeberin im Grundsatz an den Entwurfstext, steigerte allerdings die ohnehin sehr guten Bewertungen durch Hinzufügung von Begriffen wie "äußerst", "extrem" und "hervorragend". Den Vorschlag "Wir bewerten ihn mit sehr gut" ersetzte sie durch "Wenn es bessere Noten als 'sehr gut' geben würde, würden wir ihn damit beurteilen". Die Formulierung "Herr F verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern" ersetzte sie durch "Herr F (...), was wir zur Kenntnis nehmen."

Der Arbeitnehmer beantragte beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgelds, weil er der Auffassung war, die Arbeitgeberin habe ihrer Pflicht zur Erstellung eines Zeugnisses nicht genügt. Die geänderten Formulierungen seien erheblich und dazu geeignet, das gesamte Zeugnis wertlos zu machen. Die Änderungen dienten nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit, sondern zögen vielmehr den Zeugnistext ins Lächerliche. Das Arbeitsgericht entsprach dem Antrag. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte vor dem LAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Arbeitgeberin hat die im Vergleich titulierte Pflicht zur Zeugniserteilung nicht erfüllt. Die Parteien haben zulässigerweise vereinbart, dass der Arbeitnehmer ein Vorschlagsrecht hat, von dem die Arbeitgeberin nur aus wichtigem Grund abweichen darf. Hiermit haben sie die Formulierungshoheit wirksam auf den Arbeitnehmer übertragen.

Die Arbeitgeberin ist ohne wichtigen Grund von den Formulierungsvorschlägen des Arbeitnehmers abgewichen. Sie hat die ohnehin sehr guten Bewertungen konsequent weiter gesteigert. Im Gesamteindruck führt dies dazu, dass jeder unbefangene Leser erkennt, dass die Bewertungen nicht ernst gemeint sind. Es handelt sich vielmehr um Formulierungen, die den Zweck haben, eine andere als die aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

Dieser Eindruck wird durch die abschließende Leistungsbeurteilung "wenn es bessere Note als sehr gut geben würde, würden wir ihn damit beurteilen" verstärkt. Abgesehen davon, dass dieser Satz grammatikalisch misslungen ist, wird dadurch der ironische Charakter des Gesamtzeugnisses deutlich, nämlich dass die Arbeitgeberin ihre Beurteilungen nicht ernst meint.

Dies wird auch im Vorbringen der Arbeitgeberin erkennbar, wenn sie in Bezug auf die "Bedauernsformel" ausdrücklich mitteilt, dass das Ausscheiden des Arbeitnehmers für sie keinen Verlust bedeute. Wäre der Arbeitnehmer tatsächlich ein Mitarbeiter gewesen, der nach Einschätzung der Arbeitgeberin noch besser als "sehr gut" war, wäre sein Ausscheiden - für jeden Arbeitgeber - ein Verlust.

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