ALG II: Wann müssen Leistungsempfänger ihr Auto verkaufen?
LSG Nds.-Bremen v. 16.5.2019, L 11 AS 122/19 B ER
Der Sachverhalt:
Der 58-jährige Antragsteller bezog in der Vergangenheit vom Antragsgegner laufende SGB II-Leistungen. Er betreibt als freischaffender Künstler ein Atelier für Auftragskunst und bezieht nach seinen Angaben eine Opferrente i.H.v. 300 € monatlich. Im Juni 2014 hatte er vom Geld seiner Eltern einen Pick-Up Truck, Ford F 150, US-Import für 21.000 € gekauft. Als Grund gab er an, er wolle damit weiterhin mobil seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen können. Für die Dauer von zehn Jahren bleibe der Fahrzeugbrief im Besitz der Eltern.
Daraufhin lehnte das Jobcenter die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ab, da der Antragsteller nicht hilfebedürftig sei. Er müsse vorhandenes Vermögen in Form des Autos zunächst verwerten. Nach Internetrecherchen des Jobcenters und dem Angebot eines örtlichen Gebrauchtwagenhändlers sei bei dem Truck von einem Wert i.H.v. 20.000 € auszugehen.
Der Antragsteller hat daraufhin beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und geltend gemacht, dass er sich bei verschiedenen Ford-Händlern um einen Verkauf des Kfz bemüht habe. Es sei jedoch kein Händler zum Ankauf bereit gewesen. Er sei aber dringend auf die Gewährung von SGB II-Leistungen angewiesen. Das SG hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller nicht hilfebedürftig sei. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das LSG das Jobcenter im Eilverfahren vorläufig zur Leistung verpflichtet.
Die Gründe:
Ein Anordnungsanspruch liegt vor, da die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers glaubhaft gemacht wurde.
Die Freibeträge zur Hilfebedürftigkeit wurden im vorliegenden Fall nicht überschritten. Zum Erhalt der Mobilität zur Arbeitsaufnahme gilt dabei ein seit Jahren unveränderter Kfz-Freibetrag von 7.500 €. Hinzu kommt ein Vermögensfreibetrag, der mit zunehmendem Alter ansteigt und beim Kläger 9.300 € beträgt. Da außer dem Auto kein weiteres Vermögen vorhanden war, hätte der Kläger nur verkaufen müssen, wenn der Wert 16.800 € übersteigen würde.
Die Berechnung des Jobcenters konnte das Gericht nicht nachvollziehen, da der Gesamtfreibetrag selbst bei einem jährlichen Wertverlust von nur 5 % durch Alter und Laufleistung unterschritten wird. Auch die vom Jobcenter beantragte richterliche Inaugenscheinnahme des Autos brachte hier keine anderen Erkenntnisse. Vielmehr war zu beanstanden, dass bei solch unterschiedlichen Einschätzungen bisher kein Wertgutachten eingeholt wurde. Da im Eilverfahren nur geschätzt werden kann, muss dies im Hauptsacheverfahren nachgeholt werden.
Die Wertermittlung von Autos ist insofern ein nüchterner Rechenvorgang ohne soziale Missbilligung. Hätte der Kläger einen Golf für 7.500 € in der Garage und 9.300 € auf dem Konto, wäre seine Bedürftigkeit nie angezweifelt worden. Die Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung von SGB II-Leistungen erfolgt für die Zeit ab dem Tag der Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz beim SG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann grundsätzlich erst für die Zeit ab Eingang des Eilantrages beim SG einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden, nicht dagegen für die Vergangenheit.
Linkhinweis:
PM des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.6.2019
Der 58-jährige Antragsteller bezog in der Vergangenheit vom Antragsgegner laufende SGB II-Leistungen. Er betreibt als freischaffender Künstler ein Atelier für Auftragskunst und bezieht nach seinen Angaben eine Opferrente i.H.v. 300 € monatlich. Im Juni 2014 hatte er vom Geld seiner Eltern einen Pick-Up Truck, Ford F 150, US-Import für 21.000 € gekauft. Als Grund gab er an, er wolle damit weiterhin mobil seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen können. Für die Dauer von zehn Jahren bleibe der Fahrzeugbrief im Besitz der Eltern.
Daraufhin lehnte das Jobcenter die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen ab, da der Antragsteller nicht hilfebedürftig sei. Er müsse vorhandenes Vermögen in Form des Autos zunächst verwerten. Nach Internetrecherchen des Jobcenters und dem Angebot eines örtlichen Gebrauchtwagenhändlers sei bei dem Truck von einem Wert i.H.v. 20.000 € auszugehen.
Der Antragsteller hat daraufhin beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und geltend gemacht, dass er sich bei verschiedenen Ford-Händlern um einen Verkauf des Kfz bemüht habe. Es sei jedoch kein Händler zum Ankauf bereit gewesen. Er sei aber dringend auf die Gewährung von SGB II-Leistungen angewiesen. Das SG hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller nicht hilfebedürftig sei. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das LSG das Jobcenter im Eilverfahren vorläufig zur Leistung verpflichtet.
Die Gründe:
Ein Anordnungsanspruch liegt vor, da die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers glaubhaft gemacht wurde.
Die Freibeträge zur Hilfebedürftigkeit wurden im vorliegenden Fall nicht überschritten. Zum Erhalt der Mobilität zur Arbeitsaufnahme gilt dabei ein seit Jahren unveränderter Kfz-Freibetrag von 7.500 €. Hinzu kommt ein Vermögensfreibetrag, der mit zunehmendem Alter ansteigt und beim Kläger 9.300 € beträgt. Da außer dem Auto kein weiteres Vermögen vorhanden war, hätte der Kläger nur verkaufen müssen, wenn der Wert 16.800 € übersteigen würde.
Die Berechnung des Jobcenters konnte das Gericht nicht nachvollziehen, da der Gesamtfreibetrag selbst bei einem jährlichen Wertverlust von nur 5 % durch Alter und Laufleistung unterschritten wird. Auch die vom Jobcenter beantragte richterliche Inaugenscheinnahme des Autos brachte hier keine anderen Erkenntnisse. Vielmehr war zu beanstanden, dass bei solch unterschiedlichen Einschätzungen bisher kein Wertgutachten eingeholt wurde. Da im Eilverfahren nur geschätzt werden kann, muss dies im Hauptsacheverfahren nachgeholt werden.
Die Wertermittlung von Autos ist insofern ein nüchterner Rechenvorgang ohne soziale Missbilligung. Hätte der Kläger einen Golf für 7.500 € in der Garage und 9.300 € auf dem Konto, wäre seine Bedürftigkeit nie angezweifelt worden. Die Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung von SGB II-Leistungen erfolgt für die Zeit ab dem Tag der Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz beim SG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann grundsätzlich erst für die Zeit ab Eingang des Eilantrages beim SG einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden, nicht dagegen für die Vergangenheit.
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