03.11.2014

Alkoholabhängigen Berufskraftfahrern kann selbst bei Trunkenheitsfahrt nicht ohne weiteres gekündigt werden

Zwar verletzt ein Berufskraftfahrer in erheblicher Weise seine arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten, wenn er unter Alkoholeinfluss fährt. Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt aber dennoch nicht in Betracht, wenn der Arbeitnehmer alkoholabhängig und ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit ist. In einem solchen Fall ist es dem Arbeitgeber in der Regel zuzumuten, das Fehlverhalten nur abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

LAG Berlin-Brandenburg 12.8.2014, 7 Sa 852/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei dem Beklagten als Berufskraftfahrer beschäftigt. Er verursachte mit seinem Lkw unter Alkoholeinfluss (0,64 Promille) einen Unfall. Hierbei wurde der Unfallgegner verletzt. Außerdem entstand ein größerer Sachschaden. Im Betrieb des Beklagten bestand ein absolutes Alkoholverbot.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen dieser Trunkenheitsfahrt verhaltensbedingt ordentlich. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Arbeitsgericht ab. Dies begründete es mit der Schwere der Pflichtverletzung, die eine vorherige Abmahnung entbehrlich mache. Die Alkoholerkrankung könne den Kläger nicht entlasten; ihm sei weiterhin vorzuwerfen, eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss angetreten und hierdurch andere gefährdet zu haben.

Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil hatte vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Die vom Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt.

Ein Berufskraftfahrer verletzt zwar seine arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in erheblichem Maße, wenn er das ihm überlassene Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss führt. Beruht dieses Verhalten aber auf einer Alkoholabhängigkeit, ist dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen.

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist in einem solchen Fall nur möglich, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen kann. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer - wie hier der Kläger - im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit war. Bei einer Therapiebereitschaft kann vom Arbeitgeber regelmäßig erwartet werden, dass er das Fehlverhalten nur abmahnt und das Arbeitsverhältnis fortzusetzt.

LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 40/14 vom 28.10.2014
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