Amtsentbindung eines ehrenamtlichen Richters wegen gleichzeitiger Rechtsstellung als Arbeitnehmer und Arbeitgeber
LAG Baden-Württemberg 17.6.2013, 1 SHa 17/13Der ehrenamtliche Richter A. war 2002 auf Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes - Landesbezirk Baden-Württemberg - zum ehrenamtlichen Richter aus Kreisen der Arbeitnehmer beim ArbG Freiburg berufen worden. Seine letzte Wiederberufung erfolgte bis Juni 2017. In den für die Berufung vorgelegten Personalbögen hatte er jeweils angegeben, dass er als Forstwirtschaftsmeister beim Staatlichen Forstamt beschäftigt sei.
Im April 2013 teilte das ArbG der für die Angelegenheiten der ehrenamtlichen Richter beim LAG zuständigen Stelle mit, es sei festgestellt worden, dass der ehrenamtliche Richter A. neben seiner Arbeitnehmerfunktion gleichzeitig als Arbeitgeber tätig sei. Er sei Inhaber einer Spedition mit ungefähr acht angestellten Arbeitnehmern. Dieser Umstand sei bemerkt worden, als A. in den Jahren 2012 und 2013 einige Termine beim ArbG Freiburg in seiner Arbeitgeberfunktion wahrgenommen habe.
Das ArbG Freiburg bat die zuständige Stelle um Prüfung, ob auf Grund der Tätigkeit sowohl als Arbeitnehmer als auch als Arbeitgeber Bedenken hinsichtlich der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter bestünden. Diese beantragte daraufhin beim LAG die Amtsentbindung des ehrenamtlichen Richters A. Das LAG gab dem Antrag statt.
Gründe:
Der Entbindungsantrag war zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für eine Amtsentbindung nach § 21 Abs. 5 S. 1 ArbGG lagen vor.
Ein ehrenamtlicher Richter ist auf Antrag der zuständigen Stelle von seinem Amt zu entbinden, wenn das Fehlen einer Voraussetzung für die Berufung nachträglich bekannt wird oder eine Voraussetzung nachträglich wegfällt. In Rechtsprechung und Schrifttum wird zum Teil der Schluss gezogen, die gleichzeitige Rechtsstellung als Arbeitnehmer und Arbeitgeber sei unschädlich. § 21 Abs. 5 S. 1 ArbGG setze gerade voraus, dass die gleichzeitige Zugehörigkeit zur Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite überhaupt möglich sei. Ein anderer Teil der Rechtsprechung und Literatur ist hingegen der Auffassung, Personen, die sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber seien, hätten kein Wahlrecht, ob sie auf der einen oder der anderen Seite als ehrenamtliche Richter berufen würden.
Die Kammer hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Denn mit dem § 16 Abs. 1 ArbGG verankerten Grundsatz der paritätischen Besetzung der Richterbank ist es unvereinbar, wenn eine Person nach ihrer Wahl zum ehrenamtlichen Richter aus Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerkreisen berufen werden könnte. Der Grundsatz der paritätischen Besetzung soll sicherstellen, dass die unmittelbare Anschauung und der Sachverstand beider Kreise des Arbeitslebens in gleichgewichtiger Weise in die Rechtsprechung eingebracht werden kann. Zudem soll das Vertrauen der Rechtssuchenden in die Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit durch die paritätische Beteiligung von Personen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkreisen gefestigt werden. Die Richterbank ist nur dann ordnungsgemäß besetzt, wenn die ehrenamtlichen Richter aus unterschiedlichen Kreisen stammen. Schließlich will das Gesetz Interessenkollisionen vermeiden.
Ist der ehrenamtliche Richter in ein und demselben Rechtsverhältnis sowohl Arbeitnehmer und Arbeitgeber, z.B. als Betriebs- oder Personalleiter, so löst § 22 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG den Konflikt auf, indem er den ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Arbeitgeber zuordnet. Die betreffende Person kann daher nur als ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Arbeitgeber berufen werden. Ist sie bereits als ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer berufen, so ist eine Amtsentbindung vorzunehmen. Somit war der ehrenamtliche Richter A. von seinem Amt zu entbinden.
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