Anfechtung einer Briefwahl wegen Homeoffice und Kurzarbeit
BAG v. 23.10.2024 - 7 ABR 34/23
Der Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin produziert an mehreren Standorten Kraftfahrzeuge. Im Frühjahr 2022 hatte in ihrem Werk in Wolfsburg turnusgemäß die Betriebsratswahl stattgefunden. Bei Bekanntmachung des Wahlausschreibens im November 2021 galt für den Verwaltungsbereich infolge der Covid-19-Pandemie eine "bis auf Weiteres" befristete betriebliche Anordnung, so weit wie möglich mobile Arbeit (Homeoffice) zu nutzen. Ausgenommen waren Beschäftigte, deren Tätigkeit eine Anwesenheit im Betrieb erforderte.
Im Januar 2022 verlängerte die Arbeitgeberin ihre Anweisung; betroffen war auch der für die Wahl festgelegte Zeitraum vom 14. bis 18.3.2022. Daraufhin übersandte der Wahlvorstand an ca. 26.000 in der Verwaltung tätige Arbeitnehmer unaufgefordert Briefwahlunterlagen. Ab Mitte Februar 2022 kam es im Werk außerdem zu Kurzarbeit infolge von Produktionsausfällen. Deswegen beschloss der Wahlvorstand, alle ihm von der Arbeitgeberin gemeldeten und im Wahlzeitpunkt wegen der Kurzarbeit betriebsabwesenden Arbeitnehmer der schriftlichen Stimmabgabe zuzuordnen. Daraufhin erhielten ca. 33.000 Produktionsmitarbeiter Briefwahlunterlagen zugesandt. An der Betriebsratswahl beteiligten sich 39.498 Wahlberechtigte, davon etwa 35.000 im Wege der schriftlichen Stimmabgabe.
Später haben mehrere wahlberechtigte Arbeitnehmer die Betriebsratswahl angefochten. Sie rügten u.a. verschiedene Verstöße gegen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der Ersten Verordnung zu dessen Durchführung (Wahlordnung). Die Versendung von Briefwahlunterlagen an alle Arbeitnehmer im Homeoffice und in Kurzarbeit sahen sie als unvereinbar mit der Wahlordnung an.
Das Arbeitsgericht hat die Wahl antragsgemäß für unwirksam erklärt. Das LAG hat den Antrag abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragsteller hat das BAG den Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Die Fälle einer zulässigen Briefwahl sind in der Wahlordnung (WO) abschließend geregelt. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO erhalten die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe - ohne dies zu verlangen - diejenigen Wahlberechtigten, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht im Betrieb anwesend sein werden. Hierzu gehören Arbeitnehmer, die während der Wahl wegen vorübergehend ausgeübter mobiler Arbeit und wegen Kurzarbeit betriebsabwesend sind.
Allerdings konnte auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen nicht beurteilt werden, ob der Wahlvorstand - insoweit unter Verstoß gegen § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO - die Briefwahlunterlagen auch an zur mobilen Arbeit berechtigte Arbeitnehmer übersandt hatte, von denen er wusste, dass sie im Wahlzeitraum wegen Unabkömmlichkeit ihre Tätigkeit im Betrieb verrichteten. Hierzu muss eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch das LAG erfolgen. Zu den sonstigen von den Antragstellern beanstandeten Wahlfehlern hat der Senat abschließend befunden, dass sie die Anfechtung der Betriebsratswahl nicht begründen können.
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BAG PM Nr. 28 v. 23.10.2024
Die Arbeitgeberin produziert an mehreren Standorten Kraftfahrzeuge. Im Frühjahr 2022 hatte in ihrem Werk in Wolfsburg turnusgemäß die Betriebsratswahl stattgefunden. Bei Bekanntmachung des Wahlausschreibens im November 2021 galt für den Verwaltungsbereich infolge der Covid-19-Pandemie eine "bis auf Weiteres" befristete betriebliche Anordnung, so weit wie möglich mobile Arbeit (Homeoffice) zu nutzen. Ausgenommen waren Beschäftigte, deren Tätigkeit eine Anwesenheit im Betrieb erforderte.
Im Januar 2022 verlängerte die Arbeitgeberin ihre Anweisung; betroffen war auch der für die Wahl festgelegte Zeitraum vom 14. bis 18.3.2022. Daraufhin übersandte der Wahlvorstand an ca. 26.000 in der Verwaltung tätige Arbeitnehmer unaufgefordert Briefwahlunterlagen. Ab Mitte Februar 2022 kam es im Werk außerdem zu Kurzarbeit infolge von Produktionsausfällen. Deswegen beschloss der Wahlvorstand, alle ihm von der Arbeitgeberin gemeldeten und im Wahlzeitpunkt wegen der Kurzarbeit betriebsabwesenden Arbeitnehmer der schriftlichen Stimmabgabe zuzuordnen. Daraufhin erhielten ca. 33.000 Produktionsmitarbeiter Briefwahlunterlagen zugesandt. An der Betriebsratswahl beteiligten sich 39.498 Wahlberechtigte, davon etwa 35.000 im Wege der schriftlichen Stimmabgabe.
Später haben mehrere wahlberechtigte Arbeitnehmer die Betriebsratswahl angefochten. Sie rügten u.a. verschiedene Verstöße gegen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der Ersten Verordnung zu dessen Durchführung (Wahlordnung). Die Versendung von Briefwahlunterlagen an alle Arbeitnehmer im Homeoffice und in Kurzarbeit sahen sie als unvereinbar mit der Wahlordnung an.
Das Arbeitsgericht hat die Wahl antragsgemäß für unwirksam erklärt. Das LAG hat den Antrag abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragsteller hat das BAG den Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Die Fälle einer zulässigen Briefwahl sind in der Wahlordnung (WO) abschließend geregelt. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO erhalten die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe - ohne dies zu verlangen - diejenigen Wahlberechtigten, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht im Betrieb anwesend sein werden. Hierzu gehören Arbeitnehmer, die während der Wahl wegen vorübergehend ausgeübter mobiler Arbeit und wegen Kurzarbeit betriebsabwesend sind.
Allerdings konnte auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen nicht beurteilt werden, ob der Wahlvorstand - insoweit unter Verstoß gegen § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO - die Briefwahlunterlagen auch an zur mobilen Arbeit berechtigte Arbeitnehmer übersandt hatte, von denen er wusste, dass sie im Wahlzeitraum wegen Unabkömmlichkeit ihre Tätigkeit im Betrieb verrichteten. Hierzu muss eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch das LAG erfolgen. Zu den sonstigen von den Antragstellern beanstandeten Wahlfehlern hat der Senat abschließend befunden, dass sie die Anfechtung der Betriebsratswahl nicht begründen können.
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