Angemessenheit der Ausbildungsvergütung
LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 21.6.2022 - 2 Sa 251/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um Ausbildungsvergütungsdifferenzen. Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung klagte der Auszubildende zum Kfz-Mechatroniker auf Zahlung der ausstehenden Differenzen. Zur Begründung führte er an, ihm stehe Vergütung in tariflich vorgesehener Höhe zu. Die im Ausbildungsvertrag ausgewiesene Ausbildungsvergütung genüge nicht den nach Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes an eine angemessene Vergütung zu stellenden Anforderungen. Sie unterschreite 80 % der tariflich vorgesehenen Vergütung. Zur Ermittlung der Vergleichsvergütung müsse die tariflich für eine regelmäßige Ausbildungszeit von 37,5 Stunden pro Woche vorgesehene Ausbildungsvergütung auf die von ihm absolvierte Ausbildungszeit von 40 Stunden pro Woche umgerechnet werden.
Das ArbG gab der Klage statt. Das LAG wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der erstinstanzlich ausgeurteilte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu.
Bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung bilden die einschlägigen Tarifverträge den wichtigsten Anhaltpunkt für die Verkehrsanschauung. Das Ergebnis von Tarifverhandlungen berücksichtigt hinreichend die Interessen beider Seiten. Es hat die Vermutung der Angemessenheit für sich. Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, gilt deswegen stets als angemessen. Eine Ausbildungsvergütung ist demgegenüber in der Regel nicht angemessen im Sinne vom § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreitet (BAG, Urteil v. 16.5.2017 - 9 AZR 377/16).
Unter Anwendung vorgenannter Grundsätze ist die von der Beklagten an den Kläger geleistete Ausbildungsvergütung als unangemessen zu bewerten. Vergleichsmaßstab bilden vorliegend die Vergütungssätze, wie sie die Tarifverträge über Ausbildungsvergütungen, geschlossen zwischen der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. und der IG Metall Bezirksleitung Küste, vorsehen. Diese sind für das Ausbildungsverhältnis der Parteien einschlägig und als angemessen anzusehen.
Dass sich die Höhe der Ausbildungsvergütung an der wöchentlichen Berufsausbildungszeit zu orientieren hat, hat der Gesetzgeber in § 17 Abs. 5 BBiG sowie § 17 Abs. 7 BBiG herausgestellt. Gemäß § 17 Abs. 5 BBiG kann eine prozentuale Kürzung bei Verringerung der Ausbildungsvergütung entsprechend der Verkürzung der Ausbildungszeit erfolgen. Eine Angemessenheit der Vergütung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die prozentuale Kürzung der Vergütung höher ist als die prozentuale Kürzung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass bei Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit die Prüfung der Angemessenheit auch an einer erhöhten Vergütung zu orientieren ist. Gleiches verdeutlicht § 17 Abs. 7 BBiG der ausspricht, dass eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen ist.
Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Kläger habe unter Hinweis, dass nicht die bei der Werft übliche Ausbildungsvergütung gezahlt werden könne, sein Einverständnis mit der festgelegten Vergütung erteilt. Gemäß § 17 Abs. 4 ist nämlich eine Angemessenheit der vereinbarten Vergütung in der Regel ausgeschlossen, wenn sie die Höhe der in einem Tarifvertrag geregelten Vergütung, in dessen Geltungsbereich das Ausbildungsverhältnis fällt, an den der Ausbildende aber nicht gebunden ist, um mehr als 20 % unterschreitet. Entscheidend sind dafür allein die objektiven Umstände. Ein Einverständnis des Auszubildenden macht aus einer unangemessenen Ausbildungsvergütung keine angemessene Ausbildungsvergütung.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass sie unwissentlich eine unangemessen hohe Vergütung vereinbart und gezahlt, sich auf Prüfungen der Handwerkskammer verlassen hat. Entscheidend für die Frage der Angemessenheit sind nämlich auch insoweit allein die objektiven Umstände. Auf eine Kenntnis oder einen darauf gerichteten Willen des Ausbildenden kommt es nicht an.
Die Unangemessenheit der zwischen den Parteien vereinbarten Berufungsausbildungsvergütung bewirkt, dass diese Vereinbarung gemäß § 25 BBiG nichtig ist. An die Stelle der vereinbarten tritt die angemessene Vergütung. Weil die zwischen den Parteien getroffene Reglung nichtig ist, vermag sich die Beklagte nicht mehr darauf zu berufen. Die Nichtigkeit bewirkt, dass in der Folge der Kläger Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich gezahlten laufenden Ausbildungsvergütung und den tariflichen Sätzen hat.
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Die Parteien streiten um Ausbildungsvergütungsdifferenzen. Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung klagte der Auszubildende zum Kfz-Mechatroniker auf Zahlung der ausstehenden Differenzen. Zur Begründung führte er an, ihm stehe Vergütung in tariflich vorgesehener Höhe zu. Die im Ausbildungsvertrag ausgewiesene Ausbildungsvergütung genüge nicht den nach Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes an eine angemessene Vergütung zu stellenden Anforderungen. Sie unterschreite 80 % der tariflich vorgesehenen Vergütung. Zur Ermittlung der Vergleichsvergütung müsse die tariflich für eine regelmäßige Ausbildungszeit von 37,5 Stunden pro Woche vorgesehene Ausbildungsvergütung auf die von ihm absolvierte Ausbildungszeit von 40 Stunden pro Woche umgerechnet werden.
Das ArbG gab der Klage statt. Das LAG wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der erstinstanzlich ausgeurteilte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu.
Bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung bilden die einschlägigen Tarifverträge den wichtigsten Anhaltpunkt für die Verkehrsanschauung. Das Ergebnis von Tarifverhandlungen berücksichtigt hinreichend die Interessen beider Seiten. Es hat die Vermutung der Angemessenheit für sich. Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, gilt deswegen stets als angemessen. Eine Ausbildungsvergütung ist demgegenüber in der Regel nicht angemessen im Sinne vom § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreitet (BAG, Urteil v. 16.5.2017 - 9 AZR 377/16).
Unter Anwendung vorgenannter Grundsätze ist die von der Beklagten an den Kläger geleistete Ausbildungsvergütung als unangemessen zu bewerten. Vergleichsmaßstab bilden vorliegend die Vergütungssätze, wie sie die Tarifverträge über Ausbildungsvergütungen, geschlossen zwischen der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. und der IG Metall Bezirksleitung Küste, vorsehen. Diese sind für das Ausbildungsverhältnis der Parteien einschlägig und als angemessen anzusehen.
Dass sich die Höhe der Ausbildungsvergütung an der wöchentlichen Berufsausbildungszeit zu orientieren hat, hat der Gesetzgeber in § 17 Abs. 5 BBiG sowie § 17 Abs. 7 BBiG herausgestellt. Gemäß § 17 Abs. 5 BBiG kann eine prozentuale Kürzung bei Verringerung der Ausbildungsvergütung entsprechend der Verkürzung der Ausbildungszeit erfolgen. Eine Angemessenheit der Vergütung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die prozentuale Kürzung der Vergütung höher ist als die prozentuale Kürzung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass bei Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit die Prüfung der Angemessenheit auch an einer erhöhten Vergütung zu orientieren ist. Gleiches verdeutlicht § 17 Abs. 7 BBiG der ausspricht, dass eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen ist.
Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Kläger habe unter Hinweis, dass nicht die bei der Werft übliche Ausbildungsvergütung gezahlt werden könne, sein Einverständnis mit der festgelegten Vergütung erteilt. Gemäß § 17 Abs. 4 ist nämlich eine Angemessenheit der vereinbarten Vergütung in der Regel ausgeschlossen, wenn sie die Höhe der in einem Tarifvertrag geregelten Vergütung, in dessen Geltungsbereich das Ausbildungsverhältnis fällt, an den der Ausbildende aber nicht gebunden ist, um mehr als 20 % unterschreitet. Entscheidend sind dafür allein die objektiven Umstände. Ein Einverständnis des Auszubildenden macht aus einer unangemessenen Ausbildungsvergütung keine angemessene Ausbildungsvergütung.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass sie unwissentlich eine unangemessen hohe Vergütung vereinbart und gezahlt, sich auf Prüfungen der Handwerkskammer verlassen hat. Entscheidend für die Frage der Angemessenheit sind nämlich auch insoweit allein die objektiven Umstände. Auf eine Kenntnis oder einen darauf gerichteten Willen des Ausbildenden kommt es nicht an.
Die Unangemessenheit der zwischen den Parteien vereinbarten Berufungsausbildungsvergütung bewirkt, dass diese Vereinbarung gemäß § 25 BBiG nichtig ist. An die Stelle der vereinbarten tritt die angemessene Vergütung. Weil die zwischen den Parteien getroffene Reglung nichtig ist, vermag sich die Beklagte nicht mehr darauf zu berufen. Die Nichtigkeit bewirkt, dass in der Folge der Kläger Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich gezahlten laufenden Ausbildungsvergütung und den tariflichen Sätzen hat.
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