Ankündigung einer Erkrankung rechtfertigt nicht ohne weiteres eine Kündigung
LAG Berlin-Brandenburg 15.3.2013, 10 Sa 2427/12Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet mangels Erreichens der Schwellenwerte des § 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen mit der Maßgabe, dass eine ordentliche Kündigung nur zum Quartalsende möglich ist.
Im Sommer 2012 kam es im Betrieb der Beklagten zu einer besonders hohen Arbeitsbelastung. An einem Freitagmittag im Juli teilte der Kläger zwei Beschäftigten des Betriebs mit, dass er mindestens eine Woche frei haben müsse. Er sei kaputt, er wolle ja auch nicht zum Arzt gehen. Danach setzte er seine Tätigkeit bis zum Feierabend um 16 Uhr fort. Am darauffolgenden Montag fehlte er zunächst unentschuldigt, woraufhin die Beklagte umgehend eine fristlose Kündigung aussprach, die dem Kläger am Folgetag zugestellt wurde. An diesem Tag suchte der Kläger einen Arzt auf, der ihm für die Zeit ab Montag eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigte.
Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung. Er sei zwar nicht verletzt, aber dennoch arbeitsunfähig krank gewesen. Er habe dem Druck nicht mehr standhalten können. Einen konkreten Urlaubsantrag habe er nicht gestellt. Die Beklagte trug dagegen vor, dass die Krankschreibung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ablehnung eines Urlaubsantrags erfolgt sei. Da der Kläger am Freitag bis zum Feierabend weitergearbeitet habe, sei klar, dass er nicht arbeitsunfähig krank gewesen sei.
Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.
Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht wirksam außerordentlich gekündigt.
Für die Frage, ob die Ankündigung einer Erkrankung ohne vorherige Abmahnung eine Kündigung rechtfertigt, kommt es nach der Rechtsprechung des BAG darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ankündigung der Erkrankung objektiv erkrankt war oder nicht. Zwar kann in beiden Fällen eine Pflichtwidrigkeit vorliegen. Nur im Fall einer zum Zeitpunkt der Ankündigung objektiv nicht bestehenden Krankheit bedarf es jedoch vor Ausspruch einer Kündigung in aller Regel keiner Abmahnung.
Im Streitfall hat der Kläger behauptet, bei Ankündigung der Erkrankung bereits objektiv krank gewesen zu sein. Diese Behauptung ist nicht schon dadurch widerlegt, dass der Kläger noch bis Feierabend weitergearbeitet hat. Denn nicht jeder Arbeitnehmer, der seiner Arbeitsleistung erbringt, ist auch arbeitsfähig. Zudem liegt Arbeitsunfähigkeit auch vor, wenn ein Arbeitnehmer zwar noch arbeitsfähig ist, aufgrund einer bestehenden Krankheit aber bereits absehbar ist, dass die weitere Ausübung der Tätigkeit schädliche Gesundheitsfolgen hervorruft, die unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit führen.
Behauptet der Arbeitnehmer - wie hier - eine Erkrankung, trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass diese Behauptung falsch ist. Diesen Beweis hat die Beklagte nicht erbracht; er wäre ihr auch nicht unmöglich gewesen. Sowohl durch den behandelnden Arzt als Zeugen als auch ggf. durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte der Gesundheitszustand des Klägers am Freitag möglicherweise aufgeklärt werden können.
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