Anspruch auf Arbeitslosengeld II trotz Abbruchs der Ausbildung wegen unentschuldbaren Verhaltens
LSG NRW v. 11.10.2018 - L 7 AS 1331/17Der Kläger hatte eine zweijährige außerbetriebliche Berufsausbildung begonnen, bei der er mehrmals unentschuldigt fehlte. Dies führte zur außerordentlichen Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses. Das beklagte Jobcenter bewilligte Arbeitslosengeld II, was allerdings um 30 Prozent gekürzt wurde. Später verlangte es die Leistungen komplett zurück. Der Kläger habe dem Grunde nach die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach dem SGB III erfüllt. Er habe durch unentschuldigtes Fehlen das Ende seines Ausbildungsverhältnisses grob fahrlässig herbeigeführt. Er sei gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II zum Ersatz der ihm "deswegen gezahlten Leistungen" verpflichtet.
Das SG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hob das LSG die Entscheidung auf und gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Das beklagte Jobcenter kann die an den Kläger geleisteten Zahlungen nicht nach § 34 SGB II zurückverlangen. Dafür wird ein sozialwidriges Verhalten vorausgesetzt, das über die Sanktionsvorschriften der §§ 31 ff. SGB II hinausgeht. Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist ein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch zur Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums, von dem nur unter Berücksichtigung strenger Maßstäbe abgewichen werden darf.
Der Kläger konnte zudem glaubhaft geltend machen, dass ihm diese Ausbildung nicht lag. Er sei für eine schulische Ausbildung nicht gemacht. Insofern ist die Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen. Dieses Grundrecht rechtfertigt zwar kein wiederholtes unentschuldigtes Fehlen, jedoch besteht dafür die Möglichkeit der Sanktionen gem. §§ 31 ff. SGB II. Davon hatte der Beklagte auch durch die Verringerung der Leistungen um 30 % hinreichend Gebrauch gemacht.
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