Anspruch auf Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte gemäß § 17 DSGVO
LAG Baden-Württemberg v. 28.7.2023 - 9 Sa 73/21
Der Sachverhalt:
In der Berufung streiten die Parteien nach einem beendeten Ausbildungsverhältnis u.a. noch über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, Erteilung einer Auskunft über personenbezogene Daten sowie Zahlung einer Entschädigung wegen unterbliebener Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO.
Der Kläger stand im Zeitraum vom 1.9.2016 bis 30.3.2020 bei der Beklagten in einem Ausbildungsverhältnis zum Sport- und Gesundheitstrainer sowie zum Sport- und Fitnesskaufmann. Am 5.3.2020 wurde dem Kläger eine Abmahnung erteilt, die von Herrn Dr. S., Bekl. zu 2 und Alleingesellschafter der Beklagten als "Inhaber" unterzeichnet wurde. Der Klägervertreter verlangte die Rücknahme der "vorsätzlichen und rechtswidrigen Anschuldigung, dass der Kläger sich des Betrugs strafbar gemacht haben soll". In dem Fitnessstudio in K., in dem der Kläger seine Tätigkeit verrichtete, befand sich ein USB-Stick des Klägers. Der Bekl. zu 2 nahm diesen USB-Stick an sich und gab ihn bis heute nicht zurück.
Im April 2020 machte der Kläger klageweise geltend, die Abmahnung vom 5.3.2020 sei unbegründet, weil die dort aufgeführten Beschuldigungen falsch seien. Der Kläger habe nicht auf seinen USB-Stick sensible Mitgliederdaten der Beklagten gespeichert, dieser Stick stehe im Eigentum des Klägers und die Beklagte habe ihn daher an den Kläger herauszugeben. Dem Kläger stehe auch der Auskunftsanspruch nach Art.15 DSGVO zu. Der Kläger hat die Klage später erweitert um eine Schadensersatzforderung in Höhe von 5.000 €, auch gegen den Beklagten zu 2 mit der Begründung, dieser Anspruch falle bei Verletzung von Art. 15 DSGVO pauschal an, also ohne weiteren konkreten Vortrag. Der Bekl. zu 2 hafte hierfür, denn er sei nicht mehr Geschäftsführer, jedoch habe er alle maßgeblichen Entscheidungen getroffen und bezeichne sich selbst als "Inhaber".
Das ArbG wies die Klage ab. Die Berufung vor dem LAG war überwiegend erfolgreich. Die Revision wurde zugelassen.
Die Gründe:
Der Arbeitnehmer kann nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO nach Ende des Arbeitsverhältnisses regelmäßig die Löschung (Entfernung) einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen.
Nach Ende des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses sind Abmahnungen für den Zweck, für den sie in der Personalakte gespeichert worden sind, grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Da das Arbeitsverhältnis beendet ist, haben Abmahnungen, die grundsätzlich zur Rüge eines beanstandenden Verhaltens dienen und gegebenenfalls eine Warnfunktion im Hinblick auf eine drohende Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthalten keinerlei Bedeutung mehr. Insbesondere dient die Abmahnung auch nicht mehr der Geltendmachung Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen der Beklagten im Sinne des Art. 3 e DSGVO. Gesetzliche Aufbewahrungsfristen für Abmahnungen gibt es nicht.
Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO kann neben dem Arbeitgeber auch eine Person sein, die sich als "Inhaber" eines Betriebes ausgibt und eigenverantwortliche Entscheidungen über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten trifft. Er haftet dann auf Zahlung einer Entschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit dem Arbeitgeber gesamtschuldnerisch.
Ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach Art. 82 DSGVO setzt nicht voraus, dass ein Auskunftsanspruch ggü. dem zur Auskunftserteilung Verpflichteten im Sinne der Rechtsprechung des BAG vom 16.12.2021 - 2 AZR 235/21 - geltend gemacht wurde. Es reicht aus, dass der Verpflichtete erkennen kann, dass der Arbeitnehmer seine Rechte nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO geltend macht.
Wird für die Auskunftserteilung eine zu kurze Frist gesetzt, ist das Auskunftsverlangen nicht gegenstandslos, sondern die Frist für die Auskunftserteilung richtet sich nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO.
Nimmt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen diesem gehörenden USB-Stick mit persönlichen Daten weg und liest diesen aus und sichert die Daten, hat er Auskunft zu erteilen, welche Daten er ausgelesen und gesichert hat. Im Fall der Verletzung dieser Auskunftspflicht haftet er auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.
Anm. d. Red.:
Das sächsische LAG (31.3.2023 - 4 Sa 117/21) ist anderer Ansicht: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte.
Mehr zum Thema:
Link zum Volltext der Entscheidung
Kurzbeitrag:
LAG Stuttgart: Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus Personalakte während Kündigungsprozess nicht mutwillig
ZIP 2023, R5
Aufsatz:
Diese Entscheidungen müssen Sie kennen
AA 2023, 144
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In der Berufung streiten die Parteien nach einem beendeten Ausbildungsverhältnis u.a. noch über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, Erteilung einer Auskunft über personenbezogene Daten sowie Zahlung einer Entschädigung wegen unterbliebener Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO.
Der Kläger stand im Zeitraum vom 1.9.2016 bis 30.3.2020 bei der Beklagten in einem Ausbildungsverhältnis zum Sport- und Gesundheitstrainer sowie zum Sport- und Fitnesskaufmann. Am 5.3.2020 wurde dem Kläger eine Abmahnung erteilt, die von Herrn Dr. S., Bekl. zu 2 und Alleingesellschafter der Beklagten als "Inhaber" unterzeichnet wurde. Der Klägervertreter verlangte die Rücknahme der "vorsätzlichen und rechtswidrigen Anschuldigung, dass der Kläger sich des Betrugs strafbar gemacht haben soll". In dem Fitnessstudio in K., in dem der Kläger seine Tätigkeit verrichtete, befand sich ein USB-Stick des Klägers. Der Bekl. zu 2 nahm diesen USB-Stick an sich und gab ihn bis heute nicht zurück.
Im April 2020 machte der Kläger klageweise geltend, die Abmahnung vom 5.3.2020 sei unbegründet, weil die dort aufgeführten Beschuldigungen falsch seien. Der Kläger habe nicht auf seinen USB-Stick sensible Mitgliederdaten der Beklagten gespeichert, dieser Stick stehe im Eigentum des Klägers und die Beklagte habe ihn daher an den Kläger herauszugeben. Dem Kläger stehe auch der Auskunftsanspruch nach Art.15 DSGVO zu. Der Kläger hat die Klage später erweitert um eine Schadensersatzforderung in Höhe von 5.000 €, auch gegen den Beklagten zu 2 mit der Begründung, dieser Anspruch falle bei Verletzung von Art. 15 DSGVO pauschal an, also ohne weiteren konkreten Vortrag. Der Bekl. zu 2 hafte hierfür, denn er sei nicht mehr Geschäftsführer, jedoch habe er alle maßgeblichen Entscheidungen getroffen und bezeichne sich selbst als "Inhaber".
Das ArbG wies die Klage ab. Die Berufung vor dem LAG war überwiegend erfolgreich. Die Revision wurde zugelassen.
Die Gründe:
Der Arbeitnehmer kann nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO nach Ende des Arbeitsverhältnisses regelmäßig die Löschung (Entfernung) einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen.
Nach Ende des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses sind Abmahnungen für den Zweck, für den sie in der Personalakte gespeichert worden sind, grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Da das Arbeitsverhältnis beendet ist, haben Abmahnungen, die grundsätzlich zur Rüge eines beanstandenden Verhaltens dienen und gegebenenfalls eine Warnfunktion im Hinblick auf eine drohende Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthalten keinerlei Bedeutung mehr. Insbesondere dient die Abmahnung auch nicht mehr der Geltendmachung Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen der Beklagten im Sinne des Art. 3 e DSGVO. Gesetzliche Aufbewahrungsfristen für Abmahnungen gibt es nicht.
Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO kann neben dem Arbeitgeber auch eine Person sein, die sich als "Inhaber" eines Betriebes ausgibt und eigenverantwortliche Entscheidungen über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten trifft. Er haftet dann auf Zahlung einer Entschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit dem Arbeitgeber gesamtschuldnerisch.
Ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach Art. 82 DSGVO setzt nicht voraus, dass ein Auskunftsanspruch ggü. dem zur Auskunftserteilung Verpflichteten im Sinne der Rechtsprechung des BAG vom 16.12.2021 - 2 AZR 235/21 - geltend gemacht wurde. Es reicht aus, dass der Verpflichtete erkennen kann, dass der Arbeitnehmer seine Rechte nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO geltend macht.
Wird für die Auskunftserteilung eine zu kurze Frist gesetzt, ist das Auskunftsverlangen nicht gegenstandslos, sondern die Frist für die Auskunftserteilung richtet sich nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO.
Nimmt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen diesem gehörenden USB-Stick mit persönlichen Daten weg und liest diesen aus und sichert die Daten, hat er Auskunft zu erteilen, welche Daten er ausgelesen und gesichert hat. Im Fall der Verletzung dieser Auskunftspflicht haftet er auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.
Anm. d. Red.:
Das sächsische LAG (31.3.2023 - 4 Sa 117/21) ist anderer Ansicht: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte.
Link zum Volltext der Entscheidung
Kurzbeitrag:
LAG Stuttgart: Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus Personalakte während Kündigungsprozess nicht mutwillig
ZIP 2023, R5
Aufsatz:
Diese Entscheidungen müssen Sie kennen
AA 2023, 144
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