Anspruch auf tarifvertragliche Corona-Sonderzahlung in der Freistellungsphase einer Altersteilzeit
BAG v. 28.3.2023 - 9 AZR 133/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten seit März 1994 zuletzt bei einer 39-Stunden-Woche als Fuhrparkleiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger war in der Entgeltgruppe 5 der Anlage A zum TVöD/VKA eingruppiert.
Mit Altersteilzeitarbeitsvertrag aus August 2013 bzw. Änderungsvertrag aus November 2014 vereinbarten die Parteien, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis vom 1.9.2014 bis 31.8.2022 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 1.9.2014 bis zum 31.8.2018 und einer Freizeitphase vom 1.9.2018 bis 31.8.2022 fortgeführt und das Arbeitsentgelt unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 TV FlexAZ gezahlt wird.
Am 25.10.2020 schlossen u.a. der VKA und ver.di einen Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung (TV Corona-Sonderzahlung). Der Kläger hat die Corona-Sonderzahlung mit der Auffassung verlangt, zum Stichtag des 1.10.2020 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden und während der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt i.S.d. § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung bezogen zu haben. Die Beklagte war der Ansicht, der Kläger könne die Corona-Sonderzahlung nicht beanspruchen, weil die vorrangige Regelung in § 7 Abs. 2 TV FlexAZ die Entstehung neuer Entgeltansprüche in der Freistellungsphase dem Grunde nach ausschließe.
Arbeitsgericht und LAG haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Berufungsurteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung Anspruch auf 300 €. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Arbeitnehmer, die sich - wie der Kläger - zu dem in § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung festgelegten Stichtag am 1.10.2020 in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit befanden, können die Corona-Sonderzahlung beanspruchen. Dies ergibt die gebotene Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen (vgl. zu den Grundsätzen der Tarifauslegung die st. Rspr., z.B. BAG 16.11.2022 - 10 AZR 210/19; 13.10.2021 - 4 AZR 365/20). Dafür spricht bereits der Wortlaut der Tarifnorm. Nach § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung erhalten Personen, deren Arbeitsverhältnis am 1.10.2020 bestand, spätestens mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2020 eine einmalige Corona-Sonderzahlung, wenn sie an mindestens einem Tag zwischen dem 1.3. und dem 31.10.2020 Anspruch auf Entgelt hatten.
Danach hängt die Corona-Sonderzahlung allein vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum maßgeblichen Stichtag und eines Entgeltanspruchs an einem Tag im Referenzzeitraum ab. Der Tarifwortlaut bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Corona-Sonderzahlung Beschäftigten vorbehalten sein soll, die - anders als Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell - eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht haben und dabei durch die Corona-Pandemie bedingten Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt waren.
Die Tarifsystematik führt gegenüber dem Wortlaut zu keinem anderen Ergebnis. Entgegen der Auffassung des LAG führt § 7 Abs. 2 TV FlexAZ zu keinem abweichenden Verständnis. Die Tarifnorm bestimmt, dass Beschäftigte während der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in Höhe der Hälfte des Entgelts erhalten, das sie jeweils erhalten würden, wenn sie mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit weitergearbeitet hätten; die andere Hälfte des Entgelts fließt in das Wertguthaben (§ 7b SGB IV) und wird in der Freistellungsphase ratierlich ausgezahlt.
Danach steht dem Kläger eine Corona-Sonderzahlung i.H.v. 300 € zu (50 % des vollen Anspruchs). Unter Zugrundelegung der nach § 2 Abs. 2 Satz 5 TV Corona-Sonderzahlung maßgeblichen "jeweiligen Verhältnisse" am Stichtag des 1.10.2020 betrug die individuell vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit des Klägers 19,5 Wochenstunden. Im Blockmodell des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wird - wie im Teilzeitmodell - die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Altersteilzeitarbeitnehmers während des gesamten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses um die Hälfte verringert.
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BAG online
Der Kläger war bei der Beklagten seit März 1994 zuletzt bei einer 39-Stunden-Woche als Fuhrparkleiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger war in der Entgeltgruppe 5 der Anlage A zum TVöD/VKA eingruppiert.
Mit Altersteilzeitarbeitsvertrag aus August 2013 bzw. Änderungsvertrag aus November 2014 vereinbarten die Parteien, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis vom 1.9.2014 bis 31.8.2022 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 1.9.2014 bis zum 31.8.2018 und einer Freizeitphase vom 1.9.2018 bis 31.8.2022 fortgeführt und das Arbeitsentgelt unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 TV FlexAZ gezahlt wird.
Am 25.10.2020 schlossen u.a. der VKA und ver.di einen Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung (TV Corona-Sonderzahlung). Der Kläger hat die Corona-Sonderzahlung mit der Auffassung verlangt, zum Stichtag des 1.10.2020 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden und während der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt i.S.d. § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung bezogen zu haben. Die Beklagte war der Ansicht, der Kläger könne die Corona-Sonderzahlung nicht beanspruchen, weil die vorrangige Regelung in § 7 Abs. 2 TV FlexAZ die Entstehung neuer Entgeltansprüche in der Freistellungsphase dem Grunde nach ausschließe.
Arbeitsgericht und LAG haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Berufungsurteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung Anspruch auf 300 €. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Arbeitnehmer, die sich - wie der Kläger - zu dem in § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung festgelegten Stichtag am 1.10.2020 in der Freistellungsphase ihrer Altersteilzeit befanden, können die Corona-Sonderzahlung beanspruchen. Dies ergibt die gebotene Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen (vgl. zu den Grundsätzen der Tarifauslegung die st. Rspr., z.B. BAG 16.11.2022 - 10 AZR 210/19; 13.10.2021 - 4 AZR 365/20). Dafür spricht bereits der Wortlaut der Tarifnorm. Nach § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung erhalten Personen, deren Arbeitsverhältnis am 1.10.2020 bestand, spätestens mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2020 eine einmalige Corona-Sonderzahlung, wenn sie an mindestens einem Tag zwischen dem 1.3. und dem 31.10.2020 Anspruch auf Entgelt hatten.
Danach hängt die Corona-Sonderzahlung allein vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum maßgeblichen Stichtag und eines Entgeltanspruchs an einem Tag im Referenzzeitraum ab. Der Tarifwortlaut bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Corona-Sonderzahlung Beschäftigten vorbehalten sein soll, die - anders als Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell - eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht haben und dabei durch die Corona-Pandemie bedingten Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt waren.
Die Tarifsystematik führt gegenüber dem Wortlaut zu keinem anderen Ergebnis. Entgegen der Auffassung des LAG führt § 7 Abs. 2 TV FlexAZ zu keinem abweichenden Verständnis. Die Tarifnorm bestimmt, dass Beschäftigte während der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in Höhe der Hälfte des Entgelts erhalten, das sie jeweils erhalten würden, wenn sie mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit weitergearbeitet hätten; die andere Hälfte des Entgelts fließt in das Wertguthaben (§ 7b SGB IV) und wird in der Freistellungsphase ratierlich ausgezahlt.
Danach steht dem Kläger eine Corona-Sonderzahlung i.H.v. 300 € zu (50 % des vollen Anspruchs). Unter Zugrundelegung der nach § 2 Abs. 2 Satz 5 TV Corona-Sonderzahlung maßgeblichen "jeweiligen Verhältnisse" am Stichtag des 1.10.2020 betrug die individuell vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit des Klägers 19,5 Wochenstunden. Im Blockmodell des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wird - wie im Teilzeitmodell - die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Altersteilzeitarbeitnehmers während des gesamten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses um die Hälfte verringert.
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