03.09.2019

Arbeitgeber darf Regelungsabrede zu Taschenkontrollen nicht einseitig ändern

Der Arbeitgeber darf von einer mit einem gerade gegründeten Betriebsrat abgeschlossenen Regelungsabrede über Taschenkontrollen bei Mitarbeitern grds. nicht abweichen. Im Fall eines Verstoßes kann der Betriebsrat ihm gerichtlich aufgeben, nur Taschenkontrollen unter den vereinbarten Bedingungen durchzuführen, bis die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung zum Thema "Taschenkontrollen" abgeschlossen haben oder ein entsprechender Spruch der Einigungsstelle vorliegt.

LAG Berlin-Brandenburg v. 20.6.2019 - 10 TaBVGa 1001/19
Der Sachverhalt:
Der Arbeitgeber ist ein weltweit tätiger Sportartikelhersteller. Er betreibt im Europa-Center in Berlin über zwei Etagen (EG und 1. OG) ein Verkaufsgeschäft, in dem ca. 85 Mitarbeiter beschäftigt sind. Seit mehreren Jahren führt der Arbeitgeber bei den Mitarbeitern eine Taschenkontrolle durch. Dazu waren die Beschäftigten angewiesen, zum Ende der Schicht oder zu Beginn der Pause in den Verkaufsraum ins Erdgeschoss zu kommen, um sich am Hinterausgang von ihrem jeweiligen Vorgesetzten die Taschen kontrollieren zu lassen.

Im September 2018 kamen der Arbeitgeber und der seit August 2018 erstmals tätige Betriebsrat überein, dass zukünftig die Taschenkontrollen ausschließlich "oben an der Notausgangstür durchgeführt würden" und dafür weiter die Manager von der Fläche oder aus dem Büro zuständig seien. Entsprechendes teilte der Personalverantwortliche den Beschäftigten mit einer E-Mail mit. Da in der Folgezeit weiterhin Kontrollen im Erdgeschoss durchgeführt wurden, teilte der Betriebsrat im Februar 2019 mit, die Taschenkontrollen nicht weiter zu tolerieren und fortan zu untersagen.

Der Betriebsrat war der Ansicht, dass Taschenkontrollen der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterfallen würden. Eine vorherige Zustimmung des Betriebsrates dazu liege nicht vor. Die Arbeitgeberin halte sich nicht an die Absprache aus September 2018. Damit würden die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt. Der Arbeitgeber erwiderte, dass der Betriebsrat keinen Anspruch auf Untersagung der Taschenkontrollen habe. Es handele sich vielmehr um ein seit Jahren im Wesentlichen unverändert praktiziertes Verfahren. Ein zu Recht mitbestimmungsfrei eingeführtes Verfahren werde nicht durch die spätere Wahl eines Betriebsrats unzulässig.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrates auf Untersagung der Taschenkontrollen zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das LAG den Beschluss teilweise abgeändert und dem Arbeitgeber untersagt, Taschenkontrollen an einem anderen Ort als an der neben dem Personalaufenthaltsraum in der zweiten Etage liegenden Notausgangstüre durchzuführen. Die weitergehende Beschwerde wurde zurückgewiesen.

Die Gründe:
Bei erstmaliger Installation eines Betriebsrats entspricht es dem gesetzlich geregelten Mitbestimmungsablauf, dass Arbeitgeber und Betriebsrat zunächst über eine mitbestimmte Regelung nach §§ 87 Abs. 1, 74 Abs. 1 Satz 2, 76 BetrVG in Verhandlungen eintreten und im Fall des Scheiterns der Verhandlung die Einigungsstelle anrufen. Bis dahin ist eine mitbestimmte Regelung nicht möglich. Das Gesetz verlangt vom Arbeitgeber in dieser Lage nicht, bis zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung mit dem Betriebsrat oder dem Spruch einer Einigungsstelle die ursprüngliche Handlung einzustellen, nur weil die Regelung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Der Betriebsrat hat diesen mitbestimmungsfreien Zeitraum hinzunehmen. In Ermangelung einer Verletzung seines Mitbestimmungsrechts besteht somit auch kein Unterlassungsanspruch.

Im vorliegenden Fall hatten die Betriebsparteien im September 2018 allerdings eine Regelungsabrede getroffen, nach der die Taschenkontrollen ausschließlich noch in der 2. Etage neben dem Personalaufenthaltsraum durchgeführt werden. Diese Absprache hatte die Arbeitgeberin selbst ohne jede Einschränkung per E-Mail verbreitet. Der Betriebsrat hatte sie nicht wirksam gekündigt. Infolgedessen war die Regelung weiter verbindlich.

Dem Hilfsantrag des Betriebsrats war zu entsprechen. Die Verstöße gegen die Regelungsabrede mittels Durchführung von Taschenkontrollen an anderer Stelle als dem 2. Obergeschoss waren unstreitig. Ob der Arbeitgeber dabei in guter Absicht gehandelt hatte, blieb für die Verletzungshandlung unerheblich. Wenn der Arbeitgeber abweichende Regelungen für sinnvoll erachten sollte, kann er diese nicht einseitig durchsetzen. Er muss sie vielmehr mit dem Betriebsrat vereinbaren. Ohne Vereinbarung mit dem Betriebsrat sind sie unzulässig und zu untersagen.

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