Arbeitgeber kann mit Teilkündigung eine Vereinbarung über Home-Office rückgängig machen
LAG Hamm v. 16.3.2023 - 18 Sa 832/22
Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt ein Software-Unternehmen mit Sitz in B. Der Kläger wohnt in A. und ist seit dem 1.2.2017 als Sales Account Manager für die Beklagte tätig. Unter dem 29.11.2016 hatten die Parteien eine "Zusatzvereinbarung über Tätigkeit im Home-Office" getroffen. Darin war u.a geregelt:
"§ 7 Beendigung der häuslichen Arbeit
Diese Vereinbarung endet spätestens mit dem Ende des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgrund des Arbeitsvertrags vom 28.11.2016 sofern sie nicht vorher durch eine der Parteien gekündigt wird.
Die Kündigung dieser Vereinbarung bedarf der Schriftform und muss unter Einhaltung einer Frist von einem Monat ausgesprochen werden. Mit Ablauf der Kündigungsfrist endet die häusliche Arbeit, so dass der Mitarbeiter verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung in den Unternehmensräumen zu erbringen."
Nachdem der Kläger seit Mitte 2021 arbeitsunfähig erkrankt war, kündigte die Beklagte am 28.1.2022 die Zusatzvereinbarung "Home-Office" zum 1.4.2022. In dem Schreiben hieß es u.a.:
"Wir müssen uns nach rund 8 Monaten gesundheitlich bedingten Ausfalls Ihrer Arbeitsleistung den Realitäten stellen, auch wenn jeder von uns Ihnen die hierfür erforderliche Genesung von ganzem Herzen wünscht. Wir haben daher den Schwerpunkt der von Ihnen in der Zukunft zu leistenden Tätigkeit in den Innendienst verlegt."
Der Kläger hat sich gerichtlich gegen die Kündigung der Zusatzvereinbarung gewandt. Er war der Ansicht, bei den Bestimmungen der Zusatzvereinbarung vom 29.11.2016 handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die von der Beklagten vorformuliert gewesen seien. Der Kündigungsvorbehalt sei unwirksam. Die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot und stelle eine Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften dar.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG die Entscheidung abgeändert und die Feststellungsklage abgewiesen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht der vertragliche Anspruch auf Home-Office aus der Zusatzvereinbarung vom 29.11.2016 nicht zu. Die Beklagte hatte eine rechtswirksame Kündigung der Zusatzvereinbarung zum 1.4.2022 ausgesprochen.
Zwar ist eine sog. Teilkündigung, die nur einzelne Bestandteile des Arbeitsvertrages betrifft, im Grundsatz unzulässig, da eine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners nicht erfolgen kann. Die Teilkündigung einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen kann aber zulässig sein, wenn dem Kündigenden hierzu das Recht eingeräumt wurde. In diesem Fall erfolgt die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen nicht gegen den Willen des anderen Vertragspartners, sondern aufgrund des vereinbarten Teilkündigungsrechts.
Im Streitfall war das Recht zum Ausspruch einer Teilkündigung hinsichtlich der Zusatzvereinbarung vom 29.11.2016 ausdrücklich für beide Parteien unter § 7 der Zusatzvereinbarung vorgesehen. Diese Abrede wurde auch rechtswirksam. Durch die Abrede über eine gesonderte Kündbarkeit der Zusatzvereinbarung auch kein zwingender Kündigungsschutz (§§ 1, 2 KSchG) umgangen. Denn das Kündigungsschreiben betraf nicht die im synallagmatischen Verhältnis stehenden wechselseitigen Pflichten des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Kläger seine Arbeitsleistung von seiner Wohnung aus zu erbringen befugt ist.
Selbst wenn die Zusatzvereinbarung insgesamt oder speziell im Hinblick auf die Regelung der Teilkündbarkeit unter § 7 als Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB oder jedenfalls als Einmalbedingung i.S.d. § 310 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BGB anzusehen wäre und diese der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 bis 309 BGB unterläge, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündbarkeitsregelung. Die Abrede über einen Home-Office-Arbeitsplatz betraf nicht eine vertraglich vorgesehene Leistung der Beklagten, sondern den Ort der Arbeitsleistung, der vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 S. 1 BGB umfasst ist. Es lag auch keine unangemessene Benachteiligung des Klägers vor. Insbesondere war nicht anzunehmen, dass die Zulässigkeit der Teilkündigung mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder dass wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 BGB).
Mehr zum Thema:
Kommentierung
Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 10. Aufl. 2022
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Justiz NRW
Die Beklagte betreibt ein Software-Unternehmen mit Sitz in B. Der Kläger wohnt in A. und ist seit dem 1.2.2017 als Sales Account Manager für die Beklagte tätig. Unter dem 29.11.2016 hatten die Parteien eine "Zusatzvereinbarung über Tätigkeit im Home-Office" getroffen. Darin war u.a geregelt:
"§ 7 Beendigung der häuslichen Arbeit
Diese Vereinbarung endet spätestens mit dem Ende des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgrund des Arbeitsvertrags vom 28.11.2016 sofern sie nicht vorher durch eine der Parteien gekündigt wird.
Die Kündigung dieser Vereinbarung bedarf der Schriftform und muss unter Einhaltung einer Frist von einem Monat ausgesprochen werden. Mit Ablauf der Kündigungsfrist endet die häusliche Arbeit, so dass der Mitarbeiter verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung in den Unternehmensräumen zu erbringen."
Nachdem der Kläger seit Mitte 2021 arbeitsunfähig erkrankt war, kündigte die Beklagte am 28.1.2022 die Zusatzvereinbarung "Home-Office" zum 1.4.2022. In dem Schreiben hieß es u.a.:
"Wir müssen uns nach rund 8 Monaten gesundheitlich bedingten Ausfalls Ihrer Arbeitsleistung den Realitäten stellen, auch wenn jeder von uns Ihnen die hierfür erforderliche Genesung von ganzem Herzen wünscht. Wir haben daher den Schwerpunkt der von Ihnen in der Zukunft zu leistenden Tätigkeit in den Innendienst verlegt."
Der Kläger hat sich gerichtlich gegen die Kündigung der Zusatzvereinbarung gewandt. Er war der Ansicht, bei den Bestimmungen der Zusatzvereinbarung vom 29.11.2016 handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die von der Beklagten vorformuliert gewesen seien. Der Kündigungsvorbehalt sei unwirksam. Die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot und stelle eine Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften dar.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG die Entscheidung abgeändert und die Feststellungsklage abgewiesen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht der vertragliche Anspruch auf Home-Office aus der Zusatzvereinbarung vom 29.11.2016 nicht zu. Die Beklagte hatte eine rechtswirksame Kündigung der Zusatzvereinbarung zum 1.4.2022 ausgesprochen.
Zwar ist eine sog. Teilkündigung, die nur einzelne Bestandteile des Arbeitsvertrages betrifft, im Grundsatz unzulässig, da eine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners nicht erfolgen kann. Die Teilkündigung einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen kann aber zulässig sein, wenn dem Kündigenden hierzu das Recht eingeräumt wurde. In diesem Fall erfolgt die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen nicht gegen den Willen des anderen Vertragspartners, sondern aufgrund des vereinbarten Teilkündigungsrechts.
Im Streitfall war das Recht zum Ausspruch einer Teilkündigung hinsichtlich der Zusatzvereinbarung vom 29.11.2016 ausdrücklich für beide Parteien unter § 7 der Zusatzvereinbarung vorgesehen. Diese Abrede wurde auch rechtswirksam. Durch die Abrede über eine gesonderte Kündbarkeit der Zusatzvereinbarung auch kein zwingender Kündigungsschutz (§§ 1, 2 KSchG) umgangen. Denn das Kündigungsschreiben betraf nicht die im synallagmatischen Verhältnis stehenden wechselseitigen Pflichten des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Kläger seine Arbeitsleistung von seiner Wohnung aus zu erbringen befugt ist.
Selbst wenn die Zusatzvereinbarung insgesamt oder speziell im Hinblick auf die Regelung der Teilkündbarkeit unter § 7 als Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB oder jedenfalls als Einmalbedingung i.S.d. § 310 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BGB anzusehen wäre und diese der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 bis 309 BGB unterläge, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündbarkeitsregelung. Die Abrede über einen Home-Office-Arbeitsplatz betraf nicht eine vertraglich vorgesehene Leistung der Beklagten, sondern den Ort der Arbeitsleistung, der vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 S. 1 BGB umfasst ist. Es lag auch keine unangemessene Benachteiligung des Klägers vor. Insbesondere war nicht anzunehmen, dass die Zulässigkeit der Teilkündigung mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder dass wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 BGB).
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