Arbeitnehmer dürfen trotz Krankschreibung an Bewerbungsgespräch teilnehmen
LAG Mecklenburg-Vorpommern 5.3.2013, 5 Sa 106/12Der Kläger war seit April 2010 bei der Beklagten als Abteilungsleiter beschäftigt. Im Mai 2011 bewarb er sich um die Position des Geschäftsführers der städtischen A. gGmbH. Er gehörte zu den aussichtsreichsten Kandidaten und wurde deshalb gebeten, sich bei der Bürgerschaft der Hansestadt vorzustellen, was er auch tat. Zu diesem Zeitpunkt war er wegen eines eingeklemmten Nervs im rechten Arm krankgeschrieben.
Als die Beklagte am nächsten Tag aus der Zeitung von dem Vorstellungstermin erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.
Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht wirksam außerordentlich oder ordentlich gekündigt. Weder mit der Teilnahme an der Vorstellung noch durch die Bewerbung hat der Kläger sich pflichtwidrig verhalten.
Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer hat zwar während seiner Ausfallzeit durch sein eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst zügig überwindet. Das bedeutet aber nicht, dass er stets nur das Bett zu hüten hat oder jedenfalls die eigene Wohnung nicht verlassen sollte. Vielmehr ist auf die jeweilige Krankheit abzustellen, um ermessen zu können, welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt sind.
Im Streitfall litt der Kläger an einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit seines rechten Arms, die auf einen eingeklemmten Nerv zurückzuführen war. Ärztlicherseits war ihm nur angeraten worden, den rechten Arm nicht zu belasten. Damit ist nicht erkennbar, weshalb es dem Kläger verboten sein sollte, sich in der Bürgerschaft der Hansestadt während der Arbeitsunfähigkeit für den von ihm angestrebten Posten vorzustellen.
Auch der in der Bewerbung zum Ausdruck kommende Abkehrwille des Klägers kann eine Kündigung nicht rechtfertigen. Solange ein Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erfüllt, kann es ihm grds. nicht vorgeworfen werden, dass er sich nach einem anderen Arbeitsfeld umschaut. Artikel 12 GG gewährt dem Arbeitnehmer die freie Arbeitsplatzwahl. Eine Kündigung kann daher nur gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten im alten Arbeitsverhältnis zugunsten seiner zukünftigen Tätigkeit vernachlässigt oder wenn der Arbeitgeber die Chance hat, für den abkehrwilligen Arbeitnehmer eine andere Person einzustellen. Beides war hier nicht der Fall.
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