Arbeitnehmer haften nicht für Unternehmenskartellbußen ("Schienenkartell")
LAG Düsseldorf 20.1.2015, 16 Sa 459/14Das Bundeskartellamt hatte gegen ein Unternehmen des ThyssenKrupp-Konzerns (K1) wegen rechtswidriger Kartellabsprachen beim Vertrieb von Schienen und anderer Oberbaumaterialien ("Schienenkartell") Bußgelder i.H.v. insgesamt 191 Mio. Euro verhängt. Mit der vorliegenden Klage nahm K1 einen ehemaligen Mitarbeiter - den Beklagten - auf Erstattung der Kartellbußen in Anspruch.
Des Weiteren begehrte K1 die Feststellung, dass der Beklagte für alle Schäden (mit)haftet, die aus den rechtswidrigen Kartellabsprachen entstanden sind oder noch entstehen werden. Dieses Feststellungsbegehren stellte sie im Lauf des Verfahrens teilweise auf einen Zahlungsantrag von weiteren 100 Mio. Euro um, weil sie sich mit der Deutschen Bahn vergleichsweise auf die Zahlung einer solchen Summe als Rückerstattung überhöhter Preise für Schienen geeinigt hatte.
Zur Begründung ihrer Klagen machte K1 geltend, dass der Beklagte an den rechtswidrigen Kartellabsprachen aktiv beteiligt gewesen sei oder zumindest davon gewusst und es pflichtwidrig unterlassen habe, den Vorstand oder den Bereich Compliance zu informieren. Selbst wenn er von den rechtswidrigen Kartellabsprachen keine Kenntnis gehabt haben sollte, hafte er gleichwohl für die entstandenen Schäden, weil er dann zumindest seinen Aufsichtspflichten nicht nachgekommen sei.
Das Arbeitsgericht wies die Klagen ab. Auf die Berufung von K1 bestätigte das LAG durch Teilurteil die Abweisung der Klage auf Erstattung der Kartellbußen und ließ insoweit wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zu. Hinsichtlich des Feststellungsantrags und des beziffert geltend gemachten Schadensersatzanspruchs setzte das LAG das Verfahren gem. § 149 ZPO aus.
Die Gründe:
K1 hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Kartellbußen i.H.v. 191 Mio. Euro. Die vom Bundeskartellamt gegenüber der Gesellschaft verhängte Buße ist im Verhältnis zum Beklagten als natürlicher Person nicht erstattungsfähig. Dies ergibt sich aus der Funktion der Unternehmensgeldbuße. Denn diese kann auch den durch den Kartellverstoß erzielten Vorteil beim Unternehmen abschöpfen. Dies würde unterlaufen, wenn das Bußgeld an die handelnde Person weitergereicht werden könnte.
Im Übrigen unterscheidet das Kartellrecht zwischen Bußen gegen Unternehmen und gegen natürliche Personen. Während eine Buße gegen eine natürliche Person auf 1 Mio. Euro begrenzt ist, darf gegen Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von bis zu zehn Prozent des Gesamtumsatzes verhängt werden. Dieser differenzierte Bußgeldrahmen würde ins Leere laufen, wenn die Unternehmensgeldbuße an die gesetzlich privilegierte natürliche Person weitergereicht werden könnte.
Hinsichtlich der Feststellungsanträge und des beziffert geltend gemachten Schadensersatzanspruchs i.H.v. 100 Mio. Euro war das Verfahren gem. § 149 ZPO auszusetzen. Es kann nicht ohne Beweisaufnahme entschieden werden, ob der Beklagte aktiv oder zumindest fahrlässig pflichtwidrig an Kartellabsprachen beteiligt war. Insoweit ist abzuwarten, ob das Strafverfahren gegen den Beklagten zu einer Sachaufklärung führen wird.
Der Hintergrund:
Neben K1 hatte auch die Obergesellschaft (K2) geklagte, bei welcher der Beklagte ebenfalls Geschäftsführer war. Auch insoweit hat das LAG die Klage auf Zahlung der Kartellbuße abgewiesen, weil es hier bereits an einem Schaden der K2 selbst fehlt. Im Übrigen ist auch insoweit das Verfahren ausgesetzt worden.
Ein drittes Verfahren hatte die Konzernmutter (KM) anhängig gemacht, deren Arbeitnehmer der Kläger war. Dieses Verfahren ist ebenfalls ausgesetzt worden.