07.07.2011

Arbeitnehmer können auch noch während Nachbindung in Gewerkschaft eintreten und sich so tarifliche Ansprüche sichern

Auch wenn ein Arbeitgeber nach seinem Austritt aus dem Arbeitgeberverband nur noch im Wege der Nachbindung an die Tarifverträge gebunden ist, kann ein Arbeitnehmer in die tarifschließende Gewerkschaft eintreten und so die Anwendung der tariflichen Regeln auf sein Arbeitsverhältnis erreichen. Die Tarifgebundenheit hält so lange an, bis die Tarifverträge jeweils enden. Nachteiligere vertragliche Regelungen, die vor dem Eintritt in die Gewerkschaft vereinbart worden sind, werden durch die normative Wirkung der Tarifverträge verdrängt.

BAG 6.7.2011, 4 AZR 424/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist bei der ursprünglich tarifgebundenen Beklagten, einem Unternehmen der Metallindustrie, seit Mai 2000 beschäftigt. Nach dem die Beklagte zum 31.12.2005 aus dem Metall-Arbeitgeberverband ausgetreten war, vereinbarten die Parteien mit Wirkung zum 1.1.2006 eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden anstelle der früheren tarifvertraglichen Arbeitszeit von 35 Stunden sowie die Nichtgeltung der Tarifverträge.

Erst am 1.7.2006 trat der zuvor nicht tarifgebundene Kläger in die IG-Metall ein. Zwischenzeitlich wurde Ende 2005 eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die u.a. die Führung eines Arbeitszeitkontos auf der Basis einer 40-Stunden-Woche vorsah.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass auf sein Arbeitsverhältnis insgesamt 13 Tarifverträge der Metallindustrie Anwendung finden, und überdies die Gutschrift von 189,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto. Arbeitsgericht und LAG gaben der Klage im Wesentlichen statt. Einige Monate nach der Entscheidung des LAG vereinbarte die Beklagte mit der IG Metall einen Haustarifvertrag, in dem weitgehend auf die bisherigen Tarifverträge verwiesen wurde, die wöchentliche Arbeitszeit jedoch mit 40 Wochenstunden geregelt ist.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG teilweise Erfolg.

Die Gründe:
Für die vom LAG ausgesprochene Feststellung der Geltung der Metall-Tarifverträge fehlt dem Kläger spätestens seit dem Abschluss des Haustarifvertrags das erforderliche Feststellungsinteresse.

Der Kläger hat durch seinen Beitritt zur Gewerkschaft allerdings eine beiderseitige Tarifgebundenheit i.S.v. § 4 Abs. 1 TVG herbeigeführt.

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Gewerkschaftsbeitritts schon aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten war. Sie war auch danach an die vom Arbeitgeberverband bis zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Tarifverträge kraft Nachbindung (§ 3 Abs. 3 TVG) unmittelbar und zwingend gebunden. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen zwei verschiedenen Bindungsarten. Tritt daher ein Arbeitnehmer während der Nachbindung in die tarifschließende Gewerkschaft ein, wirken diese Tarifverträge nach § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend bis die Tarifverträge enden.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zu einer von der 35-Stunden-Woche ausgehenden Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto, weil die Betriebsvereinbarung zum Arbeitszeitkonto für eine Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden getroffen worden ist. Wenn dem Kläger insofern Arbeitsstunden nicht vergütet worden sind, die er geleistet hat, kann er lediglich deren Vergütung verlangen, nicht aber deren "Einbringung" als Guthaben in das anders geregelte Arbeitszeitkonto.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 55 vom 6.7.2011
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