21.06.2024

Arbeitnehmerin hat Anspruch auf höheres Arbeitsentgelt entsprechend der männlichen Vergleichsgruppe

Eine festgestellte Vergütungsdifferenz zwischen dem Arbeitsentgelt einer Arbeitnehmerin und dem der männlichen Vergleichsgruppe ist ein Indiz für eine Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit. Die entsprechende Vermutung muss der Arbeitgeber im Sinne eines Vollbeweises widerlegen.

LAG Baden-Württemberg v. 19.6.2024 - 4 Sa 26/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Angestellte des beklagten Unternehmens. Sie begehrt mit ihrer Klage unter Berufung auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) eine höhere Vergütung für das Jahr 2021. Die Abgrenzung der einschlägigen männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe von deren Vergütung ist zwischen den Parteien unstreitig. Demnach sind jedenfalls die Gehaltsbestandteile Grundgehalt und Dividendenäquivalent bei der Klägerin geringer als beim Median ihrer männlichen Vergleichsgruppe.

Das LAG gab der Klage im Wege eines Teilurteils teilweise (im Hinblick auf die Gehaltsbestandteile Grundgehalt und Dividendenäquivalent) statt. Ob der weitere Gehaltsbestandteil Company Bonus ebenfalls wegen einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung nach oben angeglichen werden muss, war noch nicht entscheidungsreif. Insoweit wird das Berufungsverfahren zur weiteren Aufklärung fortgesetzt werden. Gegen das Teilurteil wurde die Revision zum BAG nicht zugelassen.

Die Gründe:
Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.

Hintergrund des EntgTranspG sind Bestimmungen aus dem Recht der Europäischen Union. Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. Die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt, darunter insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4, werden von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV miterfasst. Deshalb sind § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG und im Einklang mit Art. 157 AEUV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH unionsrechtskonform auszulegen.

Die hier festgestellte Vergütungsdifferenz ist (im Anschluss an die BAG-Rechtsprechung: BAG v. 21.1.2021 - 8 AZR 488/19) ein Indiz für eine Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit. Die entsprechende Vermutung muss die Arbeitgeberin im Sinne eines Vollbeweises widerlegen. Hier bedeutete das, dass die Arbeitgeberin die prozessuale Last hatte, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorlag, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung der Klägerin geführt haben. Zulässige andere Gründe wären etwa geschlechtsunabhängige Differenzierungen nach der Berufserfahrung, nach dem Dienstalter oder nach der Qualität der Arbeit gewesen.

Vorliegend hat sich die Arbeitgeberin zwar darauf berufen, dass die männlichen Kollegen der Klägerin durchschnittlich etwas länger im Unternehmen beschäftigt seien und dass die Klägerin unterdurchschnittlich "performed" hätte. Damit hat sie jedoch die von ihr angewandten Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt. Denn aus ihren Angaben ging nicht hervor, wie sie die Kriterien "Berufserfahrung", "Betriebszugehörigkeit" und "Arbeitsqualität" im Einzelnen bewertet und wie sie diese Kriterien zueinander gewichtet hat. Damit hat sie keine Tatsachen angegeben, die eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit durch die Gerichte ermöglicht hätten. Dies wirkte sich zu ihren Lasten aus.

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