Auch Beschäftigungsgesellschaften sind zur Zahlung einer Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe verpflichtet
BVerwG 16.5.2013, 5 C 20.12Bei der Klägerin handelt es sich um eine sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Sie übernimmt von Unternehmen, die Betriebe schließen müssen, in der Regel aufgrund eines Sozialplans das von einer Entlassung bedrohte Personal. Ihre Aufgabe liegt darin, die übernommenen Arbeitnehmer in neue Arbeitsverhältnisse zu vermitteln und für eine andere berufliche Tätigkeit zu qualifizieren. Dazu werden zumeist die Arbeitsverhältnisse mit dem früheren Arbeitgeber aufgehoben und neue auf Vermittlung und Qualifizierung gerichtete, auf maximal zwölf Monate befristete Arbeitsverträge mit der Beschäftigungsgesellschaft geschlossen.
Die auf diese Weise "transferierten" Arbeitnehmer erhalten Transferkurzarbeitergeld. Ihr ehemaliger Arbeitgeber trägt die Kosten der Beschäftigungsgesellschaft (Transfergesellschaft) und alle übrigen Leistungen, insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge.
Die Klägerin wurde für das Jahr 2006 zu einer schwerbehindertenrechtlichen Ausgleichsabgabe i.H.v. 31.200 Euro herangezogen, weil sie über mehr als 20 Arbeitnehmer verfügte und nicht auf wenigstens fünf Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigte. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, dass sie sich das übernommene Personal nicht aussuchen und damit auch nicht gezielt schwerbehinderte Bewerber berücksichtigen könne. Ihre Beschäftigten verfügten zudem über keine "Arbeitsplätze" im Gesetzessinn.
Das VG gab der Klage statt; der VGH München wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BVerwG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Beklagte ist gem. §§ 77 Abs. 1, 71 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe verpflichtet.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB IX müssen Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten grds. mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Kommen Sie dem nicht nach, so haben sie gem. § 77 Abs. 1 SGB IX für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Diese hat u.a. die Funktion, die mit der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen verbundenen finanziellen Lasten zwischen den Arbeitgebern, die der Beschäftigungspflicht nachkommen, und solchen, die dies nicht tun, auszugleichen.
Die Voraussetzungen für eine Ausgleichsabgabepflicht liegen hier vor. Insbesondere verfügen auch die von einer Beschäftigungsgesellschaft übernommenen Mitarbeiter über einen Arbeitsplatz im Sinn des SGB IX. Darunter werden Stellen verstanden, auf die Arbeitnehmer beschäftigt werden. Solche Stellen liegen hier vor:
- Die von der Transfergesellschaft übernommenen Mitarbeiter sind, auch wenn sie Kurzarbeitergeld erhalten, Arbeitnehmer.
- Dass sie bei der Beschäftigungsgesellschaft keinen Arbeitsplatz im räumlich-gegenständlichen Sinne besitzen, ist unschädlich. Denn sie bekleiden eine Stelle mit einem bestimmten Aufgaben- und Tätigkeitsbereich, nämlich mit der Verpflichtung zur Teilnahme an Qualifikationsmaßnahmen und zur Prüfung von Vermittlungsangeboten.
- Mit der Erfüllung dieser Pflichten liegt auch die für den Arbeitsplatzbegriff erforderliche tatsächliche Beschäftigung vor.
Sind somit die Stellen der Transferkurzarbeiter in diesem Zusammenhang als Arbeitsplätze zu werten, dann entsteht bei einer unzureichenden Beschäftigung von Schwerbehinderten auch die Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe. Dem steht nach der Lastenverteilungsfunktion der Ausgleichsabgabe auch nicht entgegen, dass sich die Klägerin das übernommene Personal nicht aussuchen kann.