Auch wiederholter Rückfall rechtfertigt nicht ohne weiteres die Kündigung eines alkoholkranken Arbeitnehmers
LAG Berlin-Brandenburg 5.9.2012, 15 Sa 911/12Der Kläger ist als Betriebselektriker bei dem Beklagten beschäftigt. Nachdem der Beklagte von der Alkoholsucht des Klägers erfahren hatte, hatte er mit dem Kläger am 5.10.2010 eine Therapievereinbarung geschlossen. Hierin hatte sich der Kläger zur Teilnahme an einer ambulanten Therapie verpflichtet.
Nach einem zweiten Rückfall des Klägers im Jahr 2011 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis. Zur Begründung machte er geltend, dass der Kläger zum wiederholten Mal gezeigt habe, dass er vom Alkohol nicht loskomme. Betriebliche Beeinträchtigungen lägen vor. Der Kläger arbeite u.a. an 220-Volt-Stromanlagen, so dass selbst ein einmaliger "Fehltritt" zu erheblichen Verletzungen des Klägers oder anderer Mitarbeiter führen könne. Im Übrigen sei mit hohen Fehlzeiten und entsprechendem Vertretungsaufwand zu rechnen, was zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führe.
Die Kündigungsschutzklage des Klägers hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.
Die Gründe:
Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht wirksam gekündigt. Für eine Kündigung wegen Alkoholerkrankung des Arbeitnehmers gelten die für krankheitsbedingte Kündigungen aufgestellten Grundsätze, d.h.
- es muss eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands gestellt werden können,
- eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vorliegen und
- eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen.
Hinsichtlich der ersten Stufe bestehen Bedenken, ob ein einziger erneuter Alkoholkonsum während einer ambulanten Therapie bei einem an Alkoholsucht leidenden Arbeitnehmer eine negative Prognose rechtfertigen kann. Denn teilweise wird vertreten, dass es keinen Erfahrungssatz gibt, wonach ein Rückfall nach einer zunächst erfolgreichen Entwöhnungskur und längerer Abstinenz ein endgültiger Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie für die Zukunft bedeutet.
Ob dies zutrifft, kann hier allerdings dahinstehen, da jedenfalls die Voraussetzungen der zweiten Stufe nicht erfüllt sind. Es fehlt an einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Zu etwaigen erheblichen Lohnfortzahlungskosten hat der Beklagte nichts vorgetragen. Der Kläger ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Eigen- und Fremdgefährdung als ungeeignet anzusehen. Voraussetzung hierfür wären nämlich alkoholbedingte Ausfallerscheinungen bei der Arbeit. Dass es hierzu seit Abschluss der Therapievereinbarung gekommen wäre, hat der Beklagte nicht vorgetragen.
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