Auskunftsverweigerung gegenüber erfolglosen Bewerbern kann Diskriminierung indizieren
EuGH 19.4.2012, Rs. C-415/10 ("Meister")Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Frau Meister, wurde 1961 in Russland geboren. Sie ist Inhaberin eines russischen Diploms als Systemtechnik-Ingenieurin, dessen Gleichwertigkeit mit einem von einer Fachhochschule erteilten deutschen Diplom in Deutschland anerkannt wurde. Sie bewarb sich auf eine von dem Beklagten veröffentlichte Stellenanzeige für "eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/-in". Die Bewerbung wurde abgelehnt, ohne dass die Klägerin zu einem Gespräch eingeladen wurde. Der Beklagte teilte ihr auch nicht die Gründe für die Ablehnung mit.
Die Klägerin war der Auffassung, dass sie die Anforderungen für die Stelle erfülle und wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt worden sei. Sie erhob daher Klage vor den deutschen Gerichten und beantragte, den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz wegen Diskriminierung bei der Beschäftigung und zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers zu verurteilen, um ihr den Nachweis zu ermöglichen, dass sie besser qualifiziert sei als Letzterer.
Arbeitsgericht und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin setzte das BAG das Verfahren aus und legte dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vor,
- ob Arbeitnehmer, die schlüssig darlegen, dass sie die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllen, bei Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung aus dem Unionsrecht einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber haben, ob er einen anderen Bewerber eingestellt hat, und, wenn ja, aufgrund welcher Kriterien, sowie
- ob der Umstand, dass der Arbeitgeber die geforderte Auskunft nicht erteilt, eine Tatsache ist, die das Vorliegen der vom Arbeitnehmer behaupteten Diskriminierung vermuten lässt.
Der EuGH hat die erste Vorlagefrage verneint und die zweite im Grundsatz bejaht.
+++ Die Gründe:
Unterlegene Bewerber haben aus dem Unionsrecht keinen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber über die etwaige Einstellung und die hierfür maßgeblichen Kriterien. Das ergibt sich bereits aus der "Kelly"-Entscheidung (EuGH, Urt. v. 21.07.2011 - Rs. C-104/10), wonach Personen, die sich für diskriminiert halten, aus dem EU-Recht keinen Anspruch auf Einsichtnahme in Informationen herleiten können, um sie in die Lage zu versetzen, die Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, glaubhaft zu machen.
Diese Rechtsprechung, die hiermit bestätigt wird, ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, da der Unionsgesetzgeber trotz der Entwicklungen der Rechtsvorschriften die Beweislastregelung nicht ändern wollte.
Aus der "Kelly"-Entscheidung ergibt sich allerdings auch, dass die deutschen Gerichte darüber zu wachen haben, dass die Auskunftsverweigerung durch den Arbeitgeber nicht die Verwirklichung der mit dem Unionsrecht verfolgten Ziele beeinträchtigt. Sie haben insbesondere bei der Klärung der Frage, ob der Kläger genügend Indizien für eine Diskriminierung vorgetragen hat, alle Umstände des Rechtsstreits zu berücksichtigen.
Zu diesen zu berücksichtigenden Gesichtspunkten gehört insbesondere auch die Verweigerung jeglicher Information zum Ausgang des Bewerbungsverfahrens. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche Auskunftsverweigerung das Vorliegen einer Diskriminierung indiziert. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Beklagte nicht bestreitet, dass Frau Meister für die ausgeschriebene Stelle hinreichend qualifiziert war, und er sie trotzdem nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat.
+++ Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht.
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+++ Mehr zum Thema:
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