09.08.2021

Auslegung eines Kündigungsschreibens bei versehentlich zu lang gewählter Kündigungsfrist

Kündigt ein Arbeitgeber fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin und benennt als Beendigungstermin ein konkretes Datum mit versehentlich zu lang gewählter Kündigungsfrist, kann die Auslegung nach dem Empfängerhorizont trotz des erkennbaren, schnellstmöglichen Beendigungswillens des Arbeitgebers die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst zu dem genannten Datum ergeben.

LAG Hamm v. 16.6.2021 - 10 Sa 122/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um die Dauer der einzuhaltenden ordentlichen Kündigungsfrist, nachdem die fristlose Kündigung vom ArbG für unwirksam erachtet wurde.

Die Kündigung hatte folgenden Wortlaut:
"Hiermit kündige ich das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin, das ist der 30.4.2020."

Der nächstmögliche Termin wäre rechtlich aber schon der 15.3.2020 gewesen. Das ArbG sah jedoch den ausdrücklich in der Kündigung genannten Termin als maßgeblich an.

Die Beklagte war der Ansicht, ihr nach außen kenntlich gemachter Wille, das Arbeitsverhältnis frühestmöglich zu beenden, fände nach dem Urteil des ArbG keine Beachtung und bedeute eine ungerechtfertigte Schlechterstellung ggü. Arbeitgebern, die allein fristlos kündigen und deren Kündigungsschreiben dann in eine ordentliche Kündigung zum korrekten Termin umgedeutet würde.

Das LAG wies die Berufung zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis wurde durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht bereits zum 15.3.2020, sondern erst zum 30.4.2020 aufgelöst.

Nach der neueren Rechtsprechung des BAG vom 11.6.2020 - 2 AZR 660/19 - finden die gemäß § 622 Abs. 2 BGB verlängerten Kündigungsfristen in privaten Haushalten keine Anwendung, so dass die vier Wochen zum 15.3.2020 tatsächlich die nach dem Gesetz einzuhaltende Kündigungsfrist wären.

Etwas anderes ergibt sich jedoch daraus, dass die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben nicht nur hilfsweise die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin aussprach, sondern explizit den 30.4.2020 als Kündigungstermin für diese Kündigung nannte. Die Auslegung des Kündigungsschreibens führt zu dem Ergebnis, dass damit die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zu diesem genannten Datum beenden konnte.

Nach der Rechtsprechung BAG steht das Bestimmtheitsgebot einer Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen, falls eine ordentliche Kündigung ohne weiteren Zusatz zu einem bestimmten Datum erklärt worden ist, da es nicht die Aufgabe des Arbeitnehmers ist, darüber zu rätseln, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte.
Justiz NRW online
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