Außerdienstliche Aktivitäten für die NDP rechtfertigen nicht unbedingt eine Kündigung
BAG 12.5.2011, 2 AZR 479/09Der Kläger war seit 2003 beim beklagten Land in der Finanzverwaltung tätig und dort für die Planung, Steuerung und Überwachung von Druckaufträgen zuständig. Vor Begründung des Arbeitsverhältnisses hatte er sich in einer Erklärung zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekannt und angegeben, er sei nicht Mitglied einer Organisation, die diese Grundordnung bekämpfe.
Der Kläger ist Mitglied der NPD. Er hatte u.a. in Newslettern auf Veranstaltungen der NPD hingewiesen, bei denen er teilweise auch durch das Programm geführt hatte. Im Oktober 2007 mahnte ihn das beklagte Land wegen verschiedener parteipolitischer Aktivitäten ab. Nachdem der Kläger im Mai 2008 an einer von der NPD abgehaltenen Gedenkveranstaltung teilgenommen hatte, sprach das Land eine fristlose, hilfsweise eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus, weil der Kläger erneut seine politische Treuepflicht verletzt habe, und erklärte zugleich die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, dass er sich zu jeder Zeit zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus seinen Aktivitäten für die NPD, die nicht wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten sei. Das beklagte Land meinte dagegen, der Kläger habe es getäuscht, indem er seine parteipolitischen Betätigungen verschwiegen habe. Außerdem habe er durch diese Aktivitäten grob gegen seine Pflichten verstoßen und sei damit aus personenbedingten Gründen für die weitere Ausübung der geschuldeten Tätigkeit nicht geeignet.
Das Arbeitsgericht gab der Klage lediglich hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung und der Anfechtung statt; die ordentliche Kündigung hielt es dagegen für gerechtfertigt. Auf die Berufung des Klägers gab das LAG der Klage insgesamt statt. Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Landes hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Sowohl die Anfechtung des Arbeitsvertrags als auch eine auf Aktivitäten für die NPD gestützte Kündigung des Klägers ist unwirksam.
Eine Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen verfassungsfeindlicher Betätigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer eine ihm bei seiner Einstellung in den öffentlichen Dienst zulässigerweise gestellte Frage nach seiner Verfassungstreue bewusst falsch beantwortet oder relevante Umstände trotz bestehender Offenbarungspflicht verschwiegen hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Aufgrund der bindenden Feststellungen des LAG ist davon auszugehen, dass sich der Kläger bei Abgabe seiner Erklärung eines Eignungsmangels nicht bewusst war.
Eine personenbedingte Kündigung wegen außerdienstlicher Aktivitäten für eine verfassungswidrige Partei kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aktiv für die Partei eintritt. Die Partei muss allerdings nicht durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden sein.
Wird ein Arbeitnehmer - wie hier der Kläger - wegen seiner politischen Betätigung abgemahnt, gibt der Arbeitgeber damit grds. zu erkennen, dass er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für zumutbar erachtet, wenn zukünftig verfassungsfeindliche Aktivitäten unterbleiben. Er kann eine spätere Kündigung deshalb nicht ausschließlich auf Verhalten stützen, das schon seiner Abmahnung zugrunde lag.
Nach diesen Grundsätzen lag im Streitfall kein Grund zur Kündigung vor. Der Kläger hat jedenfalls nach seiner Abmahnung bis zum Zugang der Kündigung kein Verhalten gezeigt, das als aktives Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes angesehen werden kann. Ob die NPD als verfassungsfeindlich einzustufen ist und ob das abgemahnte Verhalten deutlich gemacht hat, dass der Kläger mögliche verfassungsfeindliche Ziele der NPD aktiv unterstützt, konnte daher offenbleiben.
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