Befristete Arbeitszeiterhöhung kann rechtswidrig sein
ArbG Köln v. 25.4.2024 - 8 Ca 423/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit Dezember 2020 als "Call Center Agent Bürgerdienste" im "Front Office" der beklagten Stadt beschäftigt. Diese hat über eine Million Einwohner und beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter in ihrem Front Office. Im Bereich des Front Office ist es üblich, dass Neueinstellungen zwar unbefristet vorgenommen werden, die Einstellung jedoch nur mit einem begrenzten Teilzeit-Stundenumfang und nicht mit einem Vollzeit-Stundenumfang erfolgt. Es erfolgt sodann zunächst eine befristete Arbeitszeiterhöhung für Schulung und Einarbeitung. Alsdann erfolgt eine zweijährige befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle. Bei Ablauf der zweijährigen Befristungszeit prüft die Beklagte, ob sich der Arbeitnehmer "bewährt" hat. Darüber hinaus wird berücksichtigt, ob der Mitarbeiter bereit war, Zusatzdienste zu leisten und ob die Abwesenheitszeiten nicht zu hoch waren.
Der Kläger startete mit einem Arbeitszeitumfang von 64,95 % einer Vollzeitbeschäftigung = 25,33 Stundenwoche. Zugleich erfolgte bereits mit Wirkung ab Beschäftigungsbeginn 1.12.2020 eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit des Klägers, zunächst auf 30,39 Wochenstunden. Ab dem 1.9.2021 vereinbarten die Parteien eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf 100 % = 39 Wochenarbeitsstunden, befristet bis 31.8.2022. Für die nächsten beiden Jahre folgten wesensgleiche Befristungen.
Der Kläger wurde von der Beklagten intern mit der Note "5" für seine Produktivität und mit der Note "3" für die Qualität seiner Arbeitsergebnisse bewertet. Er war im Bewertungszeitraum an 93 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bot dem Kläger keine unbefristete Erhöhung seiner Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle an, sondern lediglich die zuletzt vereinbarte befristete Erhöhung der Arbeitszeit, nochmals befristet bis zum 31.8.2024.
Er hielt die Befristung der Arbeitszeiterhöhung für rechtswidrig. Das Arbeitsgericht gab ihm überwiegend Recht.
Die Gründe:
Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung des Klägers war rechtsunwirksam.
Erreicht die befristete Aufstockung der Arbeitszeit einen erheblichen Umfang, kann eine solche Regelung nur dann keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB darstellen, wenn ein Sachgrund gegeben ist, der auch eine Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würde. Andernfalls würde eine unzulässige Umgehung des gesetzlichen Befristungsrechts drohen, indem, der "Grund-Arbeitsvertrag" nur mit einem geringen Stundenanteil geschlossen wird, faktisch jedoch eine Vollzeittätigkeit ausgeübt wird, deren "Verlängerung" sich der Arbeitgeber jedoch regelmäßig erneut vorbehält. Von einem erheblichen Umfang einer Arbeitszeiterhöhung ist nach BAG-Rechtsprechung auszugehen, wenn sich das Aufstockungsvolumen auf mind. 25 % einer Vollzeitbeschäftigung beläuft.
Infolgedessen erwies sich die streitgegenständliche Befristung der Aufstockung des Arbeitszeitvolumens auf eine Vollzeitstelle als unangemessen und damit rechtsunwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB. Die Erhöhung der Arbeitszeit war erheblich, da sie mehr als 25 % einer Vollzeitbeschäftigung ausmachte. Mithin hätte es für ihre Rechtfertigung eines Sachgrundes bedurft, an dem es hier jedoch fehlte. Bei der Tätigkeit des Klägers im "Front Office" handelt es sich um eine Dauer-Aufgabe, die nicht nur vorrübergehend anfällt. Der Sachgrund des nur vorrübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist damit gerade nicht gegeben. Die beklagte Stadt beschäftigt schon allein aufgrund ihrer Größe dauerhaft eine Vielzahl von Mitarbeitern im "Front Office" der Bürgerdienste.
Der Wunsch der Beklagten, dass sich die Mitarbeiter ständig neu bewähren sollen und möglichst auch krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten vermeiden sollen, war als Sachgrund für eine Befristung nicht geeignet. Denn es ist gerade Sinn und Zweck des gesetzlichen Befristungsrechts, dass dem Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer insofern der Vorrang eingeräumt wird und eine Befristung eines Arbeitsvertrages allein aus dem Grund, dass sich ein Arbeitnehmer ständig neu bewähren und für eine Verlängerung empfehlen soll und eine Verlängerung gerade nicht erfolgt, wenn etwa bestimmte Abwesenheitszeiten überschritten werden, gesetzlich gerade nicht als Sachgrund für eine Befristung von Arbeitsverhältnissen anerkannt ist. Nichts anderes kann auch für eine befristete Erhöhung von Arbeitszeit gelten, da ansonsten das gesetzliche Befristungsrecht umgangen würde.
Die Klage war allerdings abzuweisen, soweit der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt hatte, dass eine bestimmte Arbeitszeitregelung "über den 31.8.2024 hinaus" gelten solle. Dieser Zeitpunkt lag zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Zukunft. Ein derartiger Blick in die Zukunft ist der Kammer nicht möglich.
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Justiz NRW
Der Kläger ist seit Dezember 2020 als "Call Center Agent Bürgerdienste" im "Front Office" der beklagten Stadt beschäftigt. Diese hat über eine Million Einwohner und beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter in ihrem Front Office. Im Bereich des Front Office ist es üblich, dass Neueinstellungen zwar unbefristet vorgenommen werden, die Einstellung jedoch nur mit einem begrenzten Teilzeit-Stundenumfang und nicht mit einem Vollzeit-Stundenumfang erfolgt. Es erfolgt sodann zunächst eine befristete Arbeitszeiterhöhung für Schulung und Einarbeitung. Alsdann erfolgt eine zweijährige befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle. Bei Ablauf der zweijährigen Befristungszeit prüft die Beklagte, ob sich der Arbeitnehmer "bewährt" hat. Darüber hinaus wird berücksichtigt, ob der Mitarbeiter bereit war, Zusatzdienste zu leisten und ob die Abwesenheitszeiten nicht zu hoch waren.
Der Kläger startete mit einem Arbeitszeitumfang von 64,95 % einer Vollzeitbeschäftigung = 25,33 Stundenwoche. Zugleich erfolgte bereits mit Wirkung ab Beschäftigungsbeginn 1.12.2020 eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit des Klägers, zunächst auf 30,39 Wochenstunden. Ab dem 1.9.2021 vereinbarten die Parteien eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf 100 % = 39 Wochenarbeitsstunden, befristet bis 31.8.2022. Für die nächsten beiden Jahre folgten wesensgleiche Befristungen.
Der Kläger wurde von der Beklagten intern mit der Note "5" für seine Produktivität und mit der Note "3" für die Qualität seiner Arbeitsergebnisse bewertet. Er war im Bewertungszeitraum an 93 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bot dem Kläger keine unbefristete Erhöhung seiner Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle an, sondern lediglich die zuletzt vereinbarte befristete Erhöhung der Arbeitszeit, nochmals befristet bis zum 31.8.2024.
Er hielt die Befristung der Arbeitszeiterhöhung für rechtswidrig. Das Arbeitsgericht gab ihm überwiegend Recht.
Die Gründe:
Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung des Klägers war rechtsunwirksam.
Erreicht die befristete Aufstockung der Arbeitszeit einen erheblichen Umfang, kann eine solche Regelung nur dann keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB darstellen, wenn ein Sachgrund gegeben ist, der auch eine Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würde. Andernfalls würde eine unzulässige Umgehung des gesetzlichen Befristungsrechts drohen, indem, der "Grund-Arbeitsvertrag" nur mit einem geringen Stundenanteil geschlossen wird, faktisch jedoch eine Vollzeittätigkeit ausgeübt wird, deren "Verlängerung" sich der Arbeitgeber jedoch regelmäßig erneut vorbehält. Von einem erheblichen Umfang einer Arbeitszeiterhöhung ist nach BAG-Rechtsprechung auszugehen, wenn sich das Aufstockungsvolumen auf mind. 25 % einer Vollzeitbeschäftigung beläuft.
Infolgedessen erwies sich die streitgegenständliche Befristung der Aufstockung des Arbeitszeitvolumens auf eine Vollzeitstelle als unangemessen und damit rechtsunwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB. Die Erhöhung der Arbeitszeit war erheblich, da sie mehr als 25 % einer Vollzeitbeschäftigung ausmachte. Mithin hätte es für ihre Rechtfertigung eines Sachgrundes bedurft, an dem es hier jedoch fehlte. Bei der Tätigkeit des Klägers im "Front Office" handelt es sich um eine Dauer-Aufgabe, die nicht nur vorrübergehend anfällt. Der Sachgrund des nur vorrübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist damit gerade nicht gegeben. Die beklagte Stadt beschäftigt schon allein aufgrund ihrer Größe dauerhaft eine Vielzahl von Mitarbeitern im "Front Office" der Bürgerdienste.
Der Wunsch der Beklagten, dass sich die Mitarbeiter ständig neu bewähren sollen und möglichst auch krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten vermeiden sollen, war als Sachgrund für eine Befristung nicht geeignet. Denn es ist gerade Sinn und Zweck des gesetzlichen Befristungsrechts, dass dem Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer insofern der Vorrang eingeräumt wird und eine Befristung eines Arbeitsvertrages allein aus dem Grund, dass sich ein Arbeitnehmer ständig neu bewähren und für eine Verlängerung empfehlen soll und eine Verlängerung gerade nicht erfolgt, wenn etwa bestimmte Abwesenheitszeiten überschritten werden, gesetzlich gerade nicht als Sachgrund für eine Befristung von Arbeitsverhältnissen anerkannt ist. Nichts anderes kann auch für eine befristete Erhöhung von Arbeitszeit gelten, da ansonsten das gesetzliche Befristungsrecht umgangen würde.
Die Klage war allerdings abzuweisen, soweit der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt hatte, dass eine bestimmte Arbeitszeitregelung "über den 31.8.2024 hinaus" gelten solle. Dieser Zeitpunkt lag zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Zukunft. Ein derartiger Blick in die Zukunft ist der Kammer nicht möglich.
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