Befristung des Arbeitsvertrags zwecks Krankheitsvertretung: Zulässige Prognose des Arbeitgebers bzgl. der Rückkehr des erkrankten Arbeitnehmers
ArbG Erfurt v. 17.5.2022 - 6 Ca 1834/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages und damit einhergehend um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin wurde laut Arbeitsvertrag vom 30.6.2021 "nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) ... als Vertretungskraft für die im Krankenstand befindliche Beschäftigte Frau J.." ab 1.8.2021 eingestellt.
Im Oktober teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die von ihr vertretene Beschäftigte, Frau J., am 25.10.2021 die Arbeit wieder aufnehmen und die auflösende Bedingung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses damit eintreten werde. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis zwei Wochen nach Zugang des Schreibens (zum 6.11.2021) enden würde.
Die vertretene Frau J nahm ab dem 25.10.2021 Urlaub und beendete ihr Arbeitsverhältnis zum 30.11.2021. Sie kehrte also nur rechtlich und nicht praktisch auf ihren Arbeitsplatz zurück. Die Klägerin vermutet dahinter ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten und der Angestellten Frau J, welche nur formal auf den Arbeitsplatz zurückgekehrt sei.
Die Klägerin hält die Befristung ihres Arbeitsvertrages für unwirksam. Sie meint, die Beklagte sei in Wirklichkeit bereits bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages davon ausgegangen, dass die - bereits längere Zeit an Krebs erkrankte - Frau J. nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde. Dies stünde dem vereinbarten Befristungsgrund per se entgegen und führe gem. § 16 TzBfG zum Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Bereits in einem Telefonat zur Einladung zum Vorstellungsgespräch sei ihr mitgeteilt worden, dass die zu vertretende Kollegin J. an einer Krebserkrankung leide und vermutlich ihre Tätigkeit nicht mehr aufnehmen werde.
Das ArbG hat die Klage auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses über den 6.11.2021 hinaus abgewiesen.
Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG und der Zweckbefristung wegen Wegfalls des Sachgrundes nach schriftlicher Unterrichtung der Klägerin am 6.11.2021.
Das BAG hat in mehreren Fällen entschieden, dass die "Arbeitsunfähigkeits-Vertretung" rechtlich möglich ist und eine solche nur in "Extrem-Fällen" rechtsunwirksam sein kann. Bezug genommen wird dabei insbesondere auf die Urteile des BAG vom 21.2.2001 - 7 AZR 200/00 - und auf das Urteil vom 23.1.2002 - 7 AZR 440/00.
Demnach ist die Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages mit der Vertretungskraft. Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, kann der Arbeitgeber in Fällen der Krankheitsvertretung davon ausgehen, dass die zu vertretende Stammkraft zurückkehren wird. Nur dann, wenn er weiß, dass der Vertretene nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird oder aufgrund besonderer Umstände daran erhebliche Zweifel hat, kann die Befristung des Arbeitsvertrages sachlich nicht gerechtfertigt sein.
Das Gericht geht - entgegen der Auffassung der Klägerin - davon aus, dass bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages seitens der Beklagten keine Kenntnis dahingehend vorlag, dass die zu vertretende Mitarbeiterin Frau J. nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren würde.
Auch der Hinweis der Klägerin auf die vermeintliche Aussage der Mitarbeiterin der Verwaltungsgemeinschaft, Frau B., ändert daran nichts. Einerseits hat die Beklagtenvertreterin zu Recht darauf hingewiesen, dass Frau B. keine Beschäftigte der Beklagten ist, sondern der Verwaltungsgemeinschaft. Auch wenn Frau B. nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin die Einstellungsphase für die Beklagte geleitet hat, ist davon auszugehen, dass Frau B. keine rechtsverbindlichen Aussagen für die Beklagte geben konnte.
Darüber hinaus ist auch festzustellen, dass von einer positiven Kenntnis oder erheblichen Zweifeln der Verantwortlichen der Beklagten im Hinblick auf die Rückkehr der Mitarbeiterin Frau J. nicht festgestellt werden kann. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass Frau B. in diesem Telefonat lediglich mitgeteilt hat, dass Frau J. ihre Tätigkeit vermutlich nicht mehr aufnehmen würde und es deshalb letztendlich zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis der Klägerin kommen würde. Dies ist mit einer positiven Kenntnis oder mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der nicht erfolgenden Rückkehr der Mitarbeiterin nicht gleichzusetzen.
Da dementsprechend die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtmäßig gewesen ist, kann die Rechtsfolge von § 16 TzBfG im Hinblick auf den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses wegen unwirksamer Befristung nicht eintreten.
Der Sachgrund der ursprünglichen Befristung des Arbeitsvertrages ist auch nicht durch die Geschehnisse im Oktober und November 2021 weiterhin bestandskräftig. Die Klägerin vermutet ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Beklagten und Frau J. im Hinblick auf die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit, Rückkehr von Frau J. ins Arbeitsverhältnis, Inanspruchnahme des Resturlaubes und Eigenkündigung von Frau J.
Selbst wenn die Beklagte auf Frau J. in Bezug auf diese Tatsachenfeststellungen eingewirkt haben sollte, ändert dies am Wegfall des Sachgrundes originär nichts.
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Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages und damit einhergehend um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin wurde laut Arbeitsvertrag vom 30.6.2021 "nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) ... als Vertretungskraft für die im Krankenstand befindliche Beschäftigte Frau J.." ab 1.8.2021 eingestellt.
Im Oktober teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die von ihr vertretene Beschäftigte, Frau J., am 25.10.2021 die Arbeit wieder aufnehmen und die auflösende Bedingung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses damit eintreten werde. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis zwei Wochen nach Zugang des Schreibens (zum 6.11.2021) enden würde.
Die vertretene Frau J nahm ab dem 25.10.2021 Urlaub und beendete ihr Arbeitsverhältnis zum 30.11.2021. Sie kehrte also nur rechtlich und nicht praktisch auf ihren Arbeitsplatz zurück. Die Klägerin vermutet dahinter ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten und der Angestellten Frau J, welche nur formal auf den Arbeitsplatz zurückgekehrt sei.
Die Klägerin hält die Befristung ihres Arbeitsvertrages für unwirksam. Sie meint, die Beklagte sei in Wirklichkeit bereits bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages davon ausgegangen, dass die - bereits längere Zeit an Krebs erkrankte - Frau J. nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde. Dies stünde dem vereinbarten Befristungsgrund per se entgegen und führe gem. § 16 TzBfG zum Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Bereits in einem Telefonat zur Einladung zum Vorstellungsgespräch sei ihr mitgeteilt worden, dass die zu vertretende Kollegin J. an einer Krebserkrankung leide und vermutlich ihre Tätigkeit nicht mehr aufnehmen werde.
Das ArbG hat die Klage auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses über den 6.11.2021 hinaus abgewiesen.
Die Gründe:
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG und der Zweckbefristung wegen Wegfalls des Sachgrundes nach schriftlicher Unterrichtung der Klägerin am 6.11.2021.
Das BAG hat in mehreren Fällen entschieden, dass die "Arbeitsunfähigkeits-Vertretung" rechtlich möglich ist und eine solche nur in "Extrem-Fällen" rechtsunwirksam sein kann. Bezug genommen wird dabei insbesondere auf die Urteile des BAG vom 21.2.2001 - 7 AZR 200/00 - und auf das Urteil vom 23.1.2002 - 7 AZR 440/00.
Demnach ist die Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages mit der Vertretungskraft. Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, kann der Arbeitgeber in Fällen der Krankheitsvertretung davon ausgehen, dass die zu vertretende Stammkraft zurückkehren wird. Nur dann, wenn er weiß, dass der Vertretene nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird oder aufgrund besonderer Umstände daran erhebliche Zweifel hat, kann die Befristung des Arbeitsvertrages sachlich nicht gerechtfertigt sein.
Das Gericht geht - entgegen der Auffassung der Klägerin - davon aus, dass bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages seitens der Beklagten keine Kenntnis dahingehend vorlag, dass die zu vertretende Mitarbeiterin Frau J. nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren würde.
Auch der Hinweis der Klägerin auf die vermeintliche Aussage der Mitarbeiterin der Verwaltungsgemeinschaft, Frau B., ändert daran nichts. Einerseits hat die Beklagtenvertreterin zu Recht darauf hingewiesen, dass Frau B. keine Beschäftigte der Beklagten ist, sondern der Verwaltungsgemeinschaft. Auch wenn Frau B. nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin die Einstellungsphase für die Beklagte geleitet hat, ist davon auszugehen, dass Frau B. keine rechtsverbindlichen Aussagen für die Beklagte geben konnte.
Darüber hinaus ist auch festzustellen, dass von einer positiven Kenntnis oder erheblichen Zweifeln der Verantwortlichen der Beklagten im Hinblick auf die Rückkehr der Mitarbeiterin Frau J. nicht festgestellt werden kann. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass Frau B. in diesem Telefonat lediglich mitgeteilt hat, dass Frau J. ihre Tätigkeit vermutlich nicht mehr aufnehmen würde und es deshalb letztendlich zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis der Klägerin kommen würde. Dies ist mit einer positiven Kenntnis oder mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der nicht erfolgenden Rückkehr der Mitarbeiterin nicht gleichzusetzen.
Da dementsprechend die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtmäßig gewesen ist, kann die Rechtsfolge von § 16 TzBfG im Hinblick auf den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses wegen unwirksamer Befristung nicht eintreten.
Der Sachgrund der ursprünglichen Befristung des Arbeitsvertrages ist auch nicht durch die Geschehnisse im Oktober und November 2021 weiterhin bestandskräftig. Die Klägerin vermutet ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Beklagten und Frau J. im Hinblick auf die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit, Rückkehr von Frau J. ins Arbeitsverhältnis, Inanspruchnahme des Resturlaubes und Eigenkündigung von Frau J.
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