Befristung eines Arbeitsvertrages - Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten?
BAG v. 12.6.2024 - 7 AZR 203/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei dem beklagten Land zunächst von September bis Dezember 2015 und später von November 2020 bis März 2021 befristet als Lehrkraft an einer Gesamtschule beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde noch zwei Mal verlängert. Mit Schreiben vom 16.12.2021 beantragte der Schulleiter bei der Bezirksregierung die Verlängerung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger vom 10.1.2022 bis 24.4.2022 zwecks Vertretung einer erkrankten Lehrerin.
Mit E-Mail vom 19.1.2022 teilte das beklagte Land der erkrankten Lehrerin mit, dass es von deren Ausscheiden aus dem Schuldienst wegen Eintritts in das Rentenalter zum 31.7.2022 ausgehe. Falls sie vorzeitig zum 28.2.2022 durch Auflösungsvertrag ausscheiden wolle, möge sie dies mitteilen. In der Hoffnung, vielleicht doch noch einmal zu arbeiten, stellte diese allerdings keinen Antrag zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Mit Schreiben vom 16.12.2021 beteiligte das beklagte Land den Personalrat zur beabsichtigten Weiterbeschäftigung des Klägers im Zeitraum "10.1.2022 - 24.4.2022" unter Angabe des Befristungsgrundes "langfristige Erkrankung einer Lehrkraft". Daraufhin wurde dem beklagten Land die Zustimmung des Personalrats zur Befristung übersandt. Zeitgleich vereinbarten die Parteien eine Weiterbeschäftigung des Klägers.
Im Mai 2022 hat der Kläger gerichtlich die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht und die Auffassung vertreten, sie sei nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Das beklagte Land habe mit einer Rückkehr der erkrankten Lehrerin aufgrund deren Erkrankung und Lebensalters sowie deren Möglichkeit eines vorzeitigen Renteneintritts nicht mehr rechnen können. Außerdem sei eine ordnungsgemäße Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nicht erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat das Urteil bestätigt. Auch die Revision des Klägers vor dem BAG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Die Befristung des Arbeitsvertrags vom 10.1.2022 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zulässig, denn sie ist durch einen sachlichen Grund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt. Ein solcher liegt vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird.
Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Teil des Sachgrundes ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Der Sachgrund der Vertretung setzt ferner einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus.
Infolgedessen haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, dass die streitbefangene Befristung auf der Beschäftigung des Klägers als Vertreter der erkrankten Lehrkraft beruhte. Das beklagte Land musste aufgrund der ihm vorliegenden Informationen keine erheblichen Zweifel an der Rückkehr der erkrankten Lehrerin haben. Es war nicht gehalten, vor Abschluss des Vertrags mit dem Kläger von sich aus Erkundigungen über die gesundheitliche Entwicklung der Vertretenen einzuholen. Außerdem hatte der Kläger die erkrankte Lehrkraft in einem Fach unmittelbar und in einem weiteren Fach mittelbar vertreten.
Die Befristung des Arbeitsvertrags war letztlich auch nicht aus landesgleichstellungsrechtlichen Gründen rechtsunwirksam. Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist keine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende Maßnahme nach dem Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen. Der Gleichstellungsbeauftragten ist im Verhältnis zur Dienststelle gerade keine umfassende und sachlich unbegrenzte Kontrolle und Beeinflussungsmöglichkeit eingeräumt. Für Entscheidungen über befristete Einstellungen mag das bedeuten, dass der Gleichstellungsbeauftragten ein Mitwirkungsrecht zukommt; für die konkrete Befristungsabrede ist hingegen kein spezifisches gleichstellungsrechtliches Beteiligungsbedürfnis ersichtlich.
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Der Kläger war bei dem beklagten Land zunächst von September bis Dezember 2015 und später von November 2020 bis März 2021 befristet als Lehrkraft an einer Gesamtschule beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde noch zwei Mal verlängert. Mit Schreiben vom 16.12.2021 beantragte der Schulleiter bei der Bezirksregierung die Verlängerung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger vom 10.1.2022 bis 24.4.2022 zwecks Vertretung einer erkrankten Lehrerin.
Mit E-Mail vom 19.1.2022 teilte das beklagte Land der erkrankten Lehrerin mit, dass es von deren Ausscheiden aus dem Schuldienst wegen Eintritts in das Rentenalter zum 31.7.2022 ausgehe. Falls sie vorzeitig zum 28.2.2022 durch Auflösungsvertrag ausscheiden wolle, möge sie dies mitteilen. In der Hoffnung, vielleicht doch noch einmal zu arbeiten, stellte diese allerdings keinen Antrag zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Mit Schreiben vom 16.12.2021 beteiligte das beklagte Land den Personalrat zur beabsichtigten Weiterbeschäftigung des Klägers im Zeitraum "10.1.2022 - 24.4.2022" unter Angabe des Befristungsgrundes "langfristige Erkrankung einer Lehrkraft". Daraufhin wurde dem beklagten Land die Zustimmung des Personalrats zur Befristung übersandt. Zeitgleich vereinbarten die Parteien eine Weiterbeschäftigung des Klägers.
Im Mai 2022 hat der Kläger gerichtlich die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht und die Auffassung vertreten, sie sei nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Das beklagte Land habe mit einer Rückkehr der erkrankten Lehrerin aufgrund deren Erkrankung und Lebensalters sowie deren Möglichkeit eines vorzeitigen Renteneintritts nicht mehr rechnen können. Außerdem sei eine ordnungsgemäße Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nicht erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat das Urteil bestätigt. Auch die Revision des Klägers vor dem BAG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Die Befristung des Arbeitsvertrags vom 10.1.2022 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zulässig, denn sie ist durch einen sachlichen Grund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt. Ein solcher liegt vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird.
Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Teil des Sachgrundes ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Der Sachgrund der Vertretung setzt ferner einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus.
Infolgedessen haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, dass die streitbefangene Befristung auf der Beschäftigung des Klägers als Vertreter der erkrankten Lehrkraft beruhte. Das beklagte Land musste aufgrund der ihm vorliegenden Informationen keine erheblichen Zweifel an der Rückkehr der erkrankten Lehrerin haben. Es war nicht gehalten, vor Abschluss des Vertrags mit dem Kläger von sich aus Erkundigungen über die gesundheitliche Entwicklung der Vertretenen einzuholen. Außerdem hatte der Kläger die erkrankte Lehrkraft in einem Fach unmittelbar und in einem weiteren Fach mittelbar vertreten.
Die Befristung des Arbeitsvertrags war letztlich auch nicht aus landesgleichstellungsrechtlichen Gründen rechtsunwirksam. Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist keine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende Maßnahme nach dem Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern für das Land Nordrhein-Westfalen. Der Gleichstellungsbeauftragten ist im Verhältnis zur Dienststelle gerade keine umfassende und sachlich unbegrenzte Kontrolle und Beeinflussungsmöglichkeit eingeräumt. Für Entscheidungen über befristete Einstellungen mag das bedeuten, dass der Gleichstellungsbeauftragten ein Mitwirkungsrecht zukommt; für die konkrete Befristungsabrede ist hingegen kein spezifisches gleichstellungsrechtliches Beteiligungsbedürfnis ersichtlich.
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