Behindertenwerkstätten sind Tendenzbetriebe
LAG Düsseldorf 29.8.2012, 7 TaBV 4/12Die Arbeitgeberin betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH eine Behindertenwerkstatt, in der zwischen 500 und 600 behinderte Menschen und weitere ca. 100 Arbeitnehmer u.a. als Fachkräfte beschäftigt sind.
Der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat beschloss, einen Wirtschaftsausschuss zu gründen. Die Arbeitgeberin hielt dies für rechtswidrig, weil sie ein Tendenzbetrieb und die Bildung eines Wirtschaftsausschusses daher gem. §§ 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, 116 BetrVG ausgeschlossen sei. Der Betriebsrat machte dagegen geltend, dass kein Tendenzbetrieb vorliege, da die Werkstatt nicht mehr überwiegend karitativen Zwecken diene.
Die Arbeitgeberin beantragte festzustellen, dass sie ein Tendenzbetrieb und die Bildung des Wirtschaftsausschusses daher unwirksam ist. Hiermit hatte sie vor dem LAG - anders als in der Vorinstanz - Erfolg. Das LAG ließ allerdings die Rechtsbeschwerde zum BAG zu.
Die Gründe:
Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um einen Tendenzbetrieb. Daher ist die Bildung eines Wirtschaftsausschusses gem. §§ 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, 116 BetrVG ausgeschlossen.
Ein Tendenzbetrieb liegt gem. § 118 Abs.1 Nr.1 BetrVG u.a. dann vor, wenn das Unternehmen unmittelbar und überwiegend karitative Zwecke verfolgt. Hier ist unstreitig, dass die Arbeitgeberin zumindest auch einen karitativen Zweck verfolgt. Fraglich ist lediglich, ob das Mittel (Annahme von Lohnaufträgen) den Zweck (Förderung der behinderten Menschen) in einem Maße übersteigt, dass nicht nur ein "dualer Zweck" gegeben ist, sondern ein Mischbetrieb, in dem die Produktion die karitative Tätigkeit überwiegt. Dies ist nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung zu verneinen.
Vor der Annahme eines Auftrags überprüft die Arbeitgeberin anhand einer Machbarkeitsstudie, ob dieser zur Durchführung mit behinderten Menschen geeignet ist. Gleichzeitig wird der Produktionsprozess in einzelne kleine Abschnitte zergliedert. Soweit in diesem Prozess z.B. besonders gefährliche Arbeiten im Einzelfall von Facharbeitern ausgeführt werden, führt dies nicht dazu, dass die karitative Zwecksetzung wegfällt. Denn andernfalls könnten solche Aufträge zum Zweck der Beschäftigung der behinderten Menschen überhaupt nicht angenommen werden.
Auch der Umstand, dass trotz der Machbarkeitsstudie in der Praxis behinderte Mitarbeiter mehr Hilfe als eingeplant bedürfen und dadurch Überstunden anfallen, die von Facharbeitern durchgeführt werden, steht der karitativen Zwecksetzung nicht entgegen.