Bei Übernahme von befristet Beschäftigten in ein Beamtenverhältnis kann das bisher erreichte Dienstalter zu berücksichtigen sein
EuGH 18.10.2012, C-302/11 bis C-305/11Im Ausgangsverfahren hatten mehrere Beschäftigte einer italienischen Wettbewerbsbehörde, die nach einigen aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverhältnissen in ein Beamtenverhältnis übernommen worden waren, auf Berücksichtigung ihres bisher erworbenen Dienstalters bei der Besoldung geklagt.
Die Übernahme in das Beamtenverhältnis war im Rahmen eines sog. Stabilisierungsverfahrens erfolgt. Dieses verschafft einem Arbeitnehmer, wenn er bestimmte Voraussetzungen in Bezug auf die Dauer seines Arbeitsverhältnisses und das bei seiner Einstellung durchgeführte Auswahlverfahren erfüllt, den Beamtenstatus. Die anfänglichen Bezüge werden dabei ohne Anerkennung des im Rahmen befristeter Verträge erreichten Dienstalters festgesetzt.
Das mit den Klagen befasste italienische Gericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die dem Stabilisierungsverfahren zugrunde liegende Regelung mit der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse vereinbar ist. Der EuGH hat dies nicht abschließend entschieden, sondern dem vorlegenden Gerichts auferlegt, zu prüfen, ob eine unterschiedliche Behandlung vorliegt und diese ggf. sachlich gerechtfertigt ist.
Die Gründe:
Grundsätzlich gilt, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen nur wegen ihrer befristeten Beschäftigung gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden dürfen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.
Damit das Diskriminierungsverbot eingreift, muss zunächst einmal eine Ungleichbehandlung vorliegen. Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob sich die Beschäftigten, als sie ihre Aufgaben im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags wahrnahmen, in einer vergleichbaren Situation wie die unbefristet angestellten Berufsbeamten befanden. Voraussetzung hierfür ist, dass die beiden Beschäftigtengruppen eine vergleichbare Art von Aufgaben zu erfüllen haben und hierbei in einem vergleichbaren Umfang Berufserfahrung erwerben.
Wenn die im Rahmen der befristeten Arbeitsverträge wahrgenommenen Aufgaben denjenigen eines Berufsbeamten der einschlägigen Laufbahn entsprechen, ist zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Hierfür muss die Ungleichbehandlung auf objektiven und transparenten Kriterien beruhen, die die Prüfung erlauben, ob sie einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Der bloße Umstand, dass der befristet beschäftigte Arbeitnehmer Dienstzeiten auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags zurückgelegt hat, stellt allerdings keinen solchen sachlichen Grund dar.
Im Streitfall ist zwar zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten bei der Organisation ihrer öffentlichen Verwaltungen und dem Zugang zum öffentlichen Dienst über ein Ermessen verfügen. Gleichwohl dürfen sie befristet Beschäftigte aber nicht allein wegen der Befristung schlechter behandeln. Als Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung kommen allerdings z.B. eine unterschiedliche Qualifikation oder andere Art von Aufgaben, für die sie die Verantwortung zu tragen haben, in Betracht.
Letztlich hat jedoch das vorlegende Gericht zu prüfen, ob "sachliche Gründe" vorliegen, die diese unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
Der Hintergrund:
Die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge wurde am 18.3.1999 geschlossen. Sie ist im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43) enthalten.
Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht. Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.