Beiderseitige Antipathie kann Höhe des Schmerzensgeldanspruchs wegen Mobbings mindern
ArbG Siegburg 11.10.2012, 1 Ca 1310/12Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten zu 1) als IT-Mitarbeiter beschäftigt. Bis 2003 war er "Bereichsleiter" und anschließend - nach Abschaffung dieser Hierarchieebene - "Task Manager". Wie seine Kollegen in derselben Position hat er täglich sog. LEAs (Leistungsabrechnungen) auszufüllen, in denen die Anwesenheitszeiten sowie die während der Arbeitszeit erledigten Aufgaben mit Angabe der jeweils benötigte Zeit einzutragen sind. Diese LEAs werden monatlich ausgewertet.
Zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1), dem Beklagte zu 2), kam es seit 2006 immer wieder zu Diskussionen über den Aufgabenbereich des Klägers. Der Kläger beschwerte sich beim Beklagten zu 2), dass er nicht ausgelastet sei, und bat um Aufgaben. Der Beklagte zu 2) brachte daraufhin zum Ausdruck, dass er die PC-Kenntnisse des Klägers für veraltet hielt und regte - ohne Erfolg - eine Fortbildung zum Erlernen einer neuen Programmiersprache an.
Seit Anfang 2010 verschärfte sich der Konflikt. Der Beklagte zu 2) forderte den Kläger z.B. auf, täglich Arbeitsberichte zu verfassen, in E-Mails an ihn nicht mehr die "kumpelhafte" Anrede "Hallo Herr R" zu verwenden und den EDV-Schrott der Firma zu sortieren. In der Folgezeit war der Kläger immer mal wieder wegen psychischer Probleme arbeitsunfähig krankgeschrieben. Als er seine Arbeit nach längerer Abwesenheit wieder antrat, war sein Arbeitsplatz von einem Auszubildenden besetzt. Für ihn hatte man lediglich einen kleinen Tisch so hingestellt, dass er mit dem Rücken zu den Kollegen im Raum saß. Ein BEM-Gespräch brach der Beklagte zu 2) ab.
Mit seiner im April 2012 erhobenen Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds wegen Mobbings. Das Arbeitsgericht sprach ihm ein Schmerzensgeld i.H.v. 7.000 Euro zu.
Die Gründe:
Der Kläger hat gem. § 823 Abs.1 BGB und § 823 Abs.2 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG und § 253 Abs.2 BGB gegen die Beklagten als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Die Beklagte zu 1) haftet nach § 31 BGB für das deliktische Handeln ihres Geschäftsführers.
Eine einen Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruch begründende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitsnehmers liegt vor, wenn
- unerwünschte Verhaltensweisen gegeben sind,
- die bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und
- ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Diese Voraussetzungen liegen hier nach einer Gesamtschau der Ereignisse vor. Denn die Handlungen des Beklagten zu 2) bewirkten systematisch eine Ausgrenzung des Klägers, suggerierten diesem, dass er fachlich und persönlich ungeeignet bzw. minderwertig sei, und griffen seine Würde an. Zur Rechtfertigung kann sich der Beklagte zu 2) insbesondere nicht darauf berufen, dass der Kläger erforderlichen Weiterbildungen ablehnend gegenübergestanden habe. Denn in diesem Fall hätte er vom Kläger die Teilnahme an Fortbildungen verlangen müssen, statt es zu unterlassen, ihm in ausreichendem Maß vertragsgerechte Arbeitsaufgaben zuzuweisen.
Im Hinblick auf die Höhe des Schmerzensgeldes war zu berücksichtigen, dass nach eigenen Angaben des Klägers eine beiderseitige Antipathie zwischen ihm und dem Beklagten zu 2) mitursächlich für die Zuspitzung des Arbeitsplatzkonflikts war. Zugunsten des Klägers war aber zu berücksichtigen, dass sich die Handlungen des Beklagten zu 2) über einen langen Zeitraum von mehreren Monaten hinzogen und mit der klaren Missachtung sogar eindeutiger gesetzlicher Ansprüche des Klägers und subtiler bis offener Herabwürdigung einherging.
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