03.06.2016

Benachteiligung Schwerbehinderter bei Sozialplan-Abfindungen: Anspruch auf Anpassung nach oben - ggf. auch unter Erhöhung des Sozialplanvolumens

Es stellt eine mittelbare und nicht gerechtfertigte Benachteiligung schwerbehinderter Arbeitnehmer dar, wenn diese nur deshalb eine niedrigere Sozialplanabfindung erhalten, weil sie eine vorgezogene Rente mit Abschlägen beanspruchen können. Die schwerbehinderten Arbeitnehmer können in einem solchen Fall eine Anpassung der Abfindung nach oben verlangen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich der Erhöhungsbetrag in Relation zum Gesamtvolumen des Sozialplans noch als hinnehmbar darstellt.

LAG Hamm 2.6.2016, 11 Sa 1344/15 u.a.
Der Sachverhalt:
Die schwerbehinderten Kläger waren am inzwischen geschlossenen Bochumer Standort der beklagten Adam Opel AG beschäftigt.

Nach einem Sozialtarifvertrag, der durch Betriebsvereinbarung auch auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer erstreckt wurde, sollten als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes Abfindungen gezahlte werden. Diese berechneten sich u.a. in einer bestimmten Beziehung zum Nettoentgelt, das zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente verdient worden wäre. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern stellte die Beklagte insoweit auf die erstmalige Bezugsmöglichkeit einer vorgezogenen Rente mit Abschlägen nach § 236a SGB VI ab.

Mit ihren hiergegen gerichteten Klagen verlangten die Kläger die Zahlung höherer Abfindungen. Das Abstellen auf die vorgezogene Rente mit Abschlägen stelle eine unzulässige Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung dar. Das Arbeitsgericht gab den Klagen überwiegend statt und sprach den Klägern Abfindungen in der Höhe zu, wie sie sich ohne Berücksichtigung der mit der Schwerbehinderung verbundenen Möglichkeit des frühzeitigen Renteneintritts nach der Formel ergeben hätten. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das LAG ließ allerdings in allen Fällen wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BAG zu.

Die Gründe:
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung höherer Abfindungen. Die Berechnung der Abfindungshöhe unter Berücksichtigung der vorzeitigen Rentenbezugsmöglichkeit für schwerbehinderte Beschäftigte stellt eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung dar.

Die Kläger können eine Anpassung der Abfindung nach oben verlangen. Dem steht entgegen, dass das Gesamtvolumen des Sozialtarifvertrags von rund 550 Mio. Euro durch die Anpassung der Abfindungsbeträge für schwerbehinderte Beschäftigte um rund 17 Mio. Euro überschritten wird. Dies stellt sich in der Relation noch als hinnehmbare Erhöhung dar.

Der Hintergrund:
Entschieden wurde hier über die ersten neun von rund 60 Berufungsverfahren. Das LAG Hamm sieht sich mit seiner Entscheidung auf der Linie des EuGH (EuGH, Urt. v. 6.12.2012 - Rs. C-152/11 - "Odar", ArbRB 2013, 3 [Braun]) und des BAG (Urt. v. 17.11.2015 - 1 AZR 938/13, ArbRB 2016, 131 [Jacobi]), deren dortige Erwägungen in Teilen übertragen werden könnten.

LAG Hamm PM vom 2.6.2016
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