Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl verstößt nicht gegen das EU-Verbot der Altersdiskriminierung
BAG 15.12.2011, 2 AZR 42/10Die beklagte Arbeitgeberin wollte aus dringenden betrieblichen Gründen Arbeitsplätze abbauen. Sie einigte sich mit dem Betriebsrat auf eine Auswahlrichtlinie, die die Bildung von Altersgruppen vorsah. Die Klägerin gehörte danach zu den zu kündigenden Arbeitnehmern. Mit ihrer Kündigungsschutzklage rügte sie die Bildung und den Zuschnitt der Altersgruppen. Ihre Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Kündigung ist wirksam. Die Beklagte durfte im Rahmen der Sozialauswahl insbesondere das Alter der Klägerin berücksichtigen und Altersgruppen bilden. Hierin liegt kein Verstoß gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG müssen Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen eine Sozialauswahl nach sozialen Gesichtspunkten vornehmen, bei der u.a. das Lebensalter zu berücksichtigen ist. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG kann die Sozialauswahl zudem zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur auch innerhalb von Altersgruppen - etwa der der 21 bis 30 Jahre alten, der der 31 bis 40 Jahre alten Arbeitnehmer u.s.w. - vorgenommen werden. Das Lebensalter ist dann nur im Rahmen der jeweiligen Gruppe von Bedeutung. Der Altersaufbau der Belegschaft bleibt auf diese Weise weitgehend erhalten.
Dieser gesetzliche Regelungskomplex der Sozialauswahl verstößt nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung und dessen Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG. Er führt zwar zu einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters. Diese ist aber durch rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. a) der Richtlinie gerechtfertigt:
- Die Regelungen tragen einerseits den mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung.
- Sie wirken zudem andererseits durch die Möglichkeit der Bildung von Altersgruppen der ausschließlich linearen Berücksichtigung des ansteigenden Lebensalters und einer mit ihr einhergehenden Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer entgegen.
Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer sicherzustellen, werden damit zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies dient zugleich der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung.
Nach diesen Grundsätzen war die Kündigungsschutzklage der Klägerin abzuweisen. Eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH nach Art. 267 AEUV bedurfte es insoweit nicht. Die unionsrechtliche Lage ist durch mehrere Entscheidungen des EuGH aus den letzten Monaten hinreichend geklärt.
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