Betriebsbedingte Kündigungen: Arbeitgeber müssen trotz "freier Unternehmerentscheidung" Mindestanforderungen erfüllen
ArbG Berlin 24.3.2016, 28 Ca 283/16Die Klägerin war seit Anfang 2011 in der beklagten Unternehmensberatung als "Assistentin am Standort Berlin" beschäftigt. Im Dezember 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis, auf das das KSchG Anwendung findet, ohne Angabe von Gründen zum 31.3.2016. Erst im Klageverfahren berief sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung auf dringende betriebliche Gründe. Sie habe ihre Auslandstätigkeiten komplett neu strukturiert und wolle ihre Mandanten im Ausland künftig von Niederlassung vor Ort und nicht mehr von Berlin aus betreuen lassen. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei deshalb ersatzlos weggefallen.
Die Klägerin bestritt eine entsprechende Unternehmerentscheidung und einen damit einhergehenden Wegfall von Arbeitsplätzen. Tatsächlich würden ausländische Kunden unverändert von deutschen Niederlassungen betreut. Auch i.Ü. habe die behauptete Umstrukturierungsentscheidung noch keine greifbaren Formen angenommen. Im Gegenteil: Die Beklagte suche ausweislich aktueller Stellenausschreibungen weiterhin Prüfungsassistenten für ihre Niederlassung in Berlin.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt.
Die Gründe:
Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Arbeitgeber können zwar grds. frei entscheiden, ihr Unternehmen so umzustrukturieren, dass Arbeitsplätze entfallen. An den diesbezüglichen Vortrag sind aber Mindestanforderungen zustellen, die hier nicht erfüllt sind.
So reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber seine behauptete Entschlussfassung lediglich beschreibt, sondern er muss auch deren raumzeitliche Koordinaten als - überprüfbaren - Lebensvorgang aufdecken. Anderenfalls wäre nicht überprüfbar, ob die behauptete Unternehmerentscheidung dem Ausspruch der Kündigung als deren Beweggrund tatsächlich vorausgegangen ist oder - anstelle potentiell "lichtscheuer" Motive - lediglich nachgeschoben wurde.
Vor diesem Hintergrund greift der Beklagtenvortrag bei weitem zu kurz: Zwar versucht die Beklagte, plausibel zu machen, warum sich die Geschäftsführung für ein anderes System der Betreuung ihrer global verstreuten Klientel entschieden habe. Über den Zeitpunkt und die situativen Begleitumstände einer solchen unternehmerischen Kurskorrektur verliert sie aber kein Wort. Zudem fehlt es ihrem Vortrag an den "greifbaren Formen", die die Gerichte in ständiger Rechtsprechung als Objektivierung der Ernstlichkeit von Unternehmerentscheidungen verlangen.