17.10.2016

Betriebsrente: Benachteiligung wegen der Behinderung?

Sieht eine Versorgungsordnung bei der Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der üblichen, "festen Altersgrenze" Abschläge vor, liegt darin keine unerlaubte Benachteiligung wegen einer Behinderung. Soweit allein schwerbehinderte Menschen die gesetzliche und damit die Betriebsrente früher beanspruchen können, werden sie nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt.

BAG 13.10.2016, 3 AZR 439/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er bezieht seit der Vollendung seines 60. Lebensjahres eine gesetzliche Altersrente für Schwerbehinderte und eine Betriebsrente. In der Vergangenheit war bei der Beklagten der ungekürzte Bezug der Betriebsrente möglich, wenn der Arbeitnehmer eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt. Auch nach einer Änderung der Versorgungsordnung besteht ein Anspruch auf Betriebsrente, wenn eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird. Jedoch wurde als feste Altersgrenze einheitlich die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt und gleichzeitig bestimmt, dass für eine vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,4 % pro Monat vorzunehmen ist, soweit die Anwartschaft auf Beschäftigungszeiten nach dem 1.1.1996 beruht.

Dementsprechend kürzte die Beklagte die Betriebsrente. Der Kläger wandte sich gegen die Wirksamkeit des Abschlags. Er war der Ansicht, darin liege eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. Ihm werde als schwerbehinderten Menschen kein angemessenes Wahlrecht mehr zwischen einer abschlagsfreien Inanspruchnahme der Betriebsrente und einem Weiterarbeiten bis zur festen Altersgrenze eingeräumt. Zudem sei die Ablösung nicht von dem vom BAG entwickelten Prüfungsschema gedeckt. Insbesondere habe die Beklagte nicht dargelegt, durch die Einführung der Abschläge Mehrbelastungen ausgeglichen zu haben, die durch die Vereinheitlichung der Altersgrenze entstanden seien.

Arbeitsgericht und LAG wiesen die Klage ab. Nach Auffassung des LAG lägen zwar Eingriffe in zukünftige Zuwächse der Betriebsrente vor, diese beruhten jedoch auf sachlich-proportionalen Gründen. Die Vereinheitlichung der Altersgrenze sei zur Durchsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Geschlechter nach Unionsrecht gerechtfertigt. Auf die Revision des Klägers hob das BAG das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

Die Gründe:
Zwar lag keine gegen das AGG verstoßende Benachteiligung wegen einer Behinderung vor. Denn eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG schied aus, da die Abschläge nicht an die Behinderteneigenschaft anknüpften. Auch andere Arbeitnehmer können früher in Rente gehen.

Ebenso schied eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG aus. Denn liegen die Voraussetzungen eines frühen Renteneintritts auch bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern vor, müssen diese ebenfalls Abschläge hinnehmen. Soweit allein schwerbehinderte Menschen die gesetzliche und damit die Betriebsrente früher beanspruchen können, werden sie nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt. Schließlich kann es keine anderen Arbeitnehmer geben, die zum selben Zeitpunkt eine Betriebsrente beziehen.

Das klageabweisende Urteil der Vorinstanz war jedoch trotzdem aufzuheben und der Rechtsstreit an das LAG zurückzuverweisen. Dieses muss nämlich im weiteren Verfahren prüfen, ob für die Änderung der Versorgungsordnung sachlich-proportionale Gründe vorlagen und damit die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 54 vom 13.10.2016
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