30.08.2016

Betriebsübergang bei Rettungsdiensten - BAG verlangt Gesamtbetrachtung

Voraussetzung für einen Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB ist, dass eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität von einem anderen fortführt wird. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen im Rahmen einer Gesamtbewertung berücksichtigt werden, ohne dass Teilaspekte isoliert betrachtet werden dürfen.

BAG 25.8.2016, 8 AZR 53/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war seit April 2001 als Rettungssanitäterin bei der J. e.V. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) Anwendung.

Ende 2010 entschied sich der beklagte Landkreis, den Rettungsdienst ab Juni 2011 mit eigenen Fahrzeugen selbst durchzuführen. Er kündigte deshalb die mit dem J. e.V. bestehenden Untermiet- und Mietverträge über die Rettungswachen, bestellte neue Rettungsfahrzeuge und schrieb die Stellen des Rettungsdienstes neu aus. Im Auswahlverfahren wählte er aus 70 Bewerbern neben den bereits zuvor beim J. e.V. tätigen 41 Beschäftigten etwas mehr als zehn neue Beschäftigte aus, um ein verändertes Schichtmodell durchführen zu können.

Der Beklagte schloss mit allen Beschäftigten neue Arbeitsverträge zum 1.6.2011 ab, die eine Bezugnahme auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) enthielten. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte gem. § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverträgen mit dem J. e.V. eingetreten sei. Ihr stünden deshalb Ansprüche auf eine höhere Vergütung und die Leistung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der AVR zu.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das LAG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LAG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass kein Betriebsübergang i.S.v. § 613a Abs. 1 BGB vorliegt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden daher die Regelungen des TVöD und nicht die der AVR Anwendung.

Das LAG durfte allerdings seine Entscheidung nicht damit begründen, allein die sächlichen Betriebsmittel - insbesondere die Rettungsfahrzeuge - seien für den Betrieb des Rettungsdienstes identitätsprägend, da deren Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmache.

Maßgeblich für die Prüfung, ob die wirtschaftliche Einheit, die der neue Rechtsträger fortführt, ihre Identität bewahrt, ist nämlich eine Gesamtbewertung. Insoweit sind sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen, ohne dass Teilaspekte isoliert betrachtet  werden dürfen.

Nach diesen Grundsätzen scheidet vorliegend ein Betriebsübergang aus, weil die wirtschaftliche Einheit "Rettungsdienst" nach dem Inhaberwechsel ihre Identität nicht bewahrt hatte.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 45/16 vom 25.8.2016
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