28.08.2013

Betriebsübergang: Dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge bindet nicht immer den Erwerber

Ist arbeitsvertraglich die Geltung eines Tarifvertrags in seiner jeweils geltenden Fassung vereinbart (dynamische Bezugnahme), so bindet dies bei einem Betriebsübergang nicht immer den nicht tarifgebundenen Betriebserwerber. Zwar gehen alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf den Betriebserwerber über. Dieser darf aber nicht dynamisch zur Erfüllung tariflicher Ansprüche verpflichtet sein, wenn er keine Möglichkeit hat, an den Tarifverhandlungen mitzuwirken.

EuGH 18.7.2013, C-426/11
Der Sachverhalt:
In dem Ausgangsverfahren wurde ein Teilbetrieb, der zum öffentlichen Sektor gehörte, an ein Privatunternehmen verkauft. In den Arbeitsverträgen der von dem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer war geregelt, dass sich die Arbeitsbedingungen nach einem bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung richten. Der Betriebswerber war an diesen Tarifvertrag nicht gebunden und hätte dem tarifschließenden Arbeitgeberverband auch nicht beitreten können, da er als privates Unternehmen nicht zur öffentlichen Verwaltung gehört.

Nach dem Betriebsübergang kam es zu einem neuen Tarifabschluss. Der Betriebserwerber weigerte sich, das Tarifergebnis auf die übernommenen Arbeitnehmer anzuwenden, wogegen sich die Klage richtete.

Das vorlegende britische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob es dem Gemeinschaftsrecht entgegensteht, wenn der Betriebserwerber in Fällen wie dem vorliegenden dynamisch Tarifabschlüsse umsetzen muss, an denen er nicht mitwirken kann.

Die Gründe:
Es ist nicht ohne weiteres mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren, wenn Klauseln, die dynamisch auch auf nach dem Betriebsübergang abgeschlossene Tarifverträge verweisen, gegenüber dem Betriebserwerber durchsetzbar sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn dieser nicht die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen über diese nach dem Übergang geschlossenen Tarifverträge teilzunehmen.

Art. 3 der RL 2001/23 ist unter Berücksichtigung der durch die Grundrechte-Charta gewährleisteten Vertragsfreiheit dahingehend auszulegen, dass es dem Betriebserwerber möglich sein muss, seine Interessen wirksam geltend zu machen und die die Entwicklung der Arbeitsbedingungen seiner Arbeitnehmer bestimmenden Faktoren mit Blick auf seine künftige wirtschaftliche Tätigkeit auszuhandeln.

Dies war im Ausgangsverfahren nicht der Fall. Dem Erwerber ist es als Privatunternehmen verwehrt, in dem betreffenden Tarifverhandlungsorgan der öffentlichen Verwaltung mitzuwirken. Unter diesen Umständen ist seine Vertragsfreiheit so erheblich reduziert, dass eine solche Einschränkung den Wesensgehalt seines Rechts auf unternehmerische Freiheit beeinträchtigen kann.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht. Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

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