Betriebsvereinbarung kann obligatorische Teilnahme des Betriebsrats an Krisengesprächen vorsehen
LAG Düsseldorf 25.10.2016, 8 TaBV 62/16Der beteiligte Arbeitgeber, ein Berufsförderungswerk, schloss 2002 eine Rahmenbetriebsvereinbarung (RBV) mit dem Betriebsrat. Diese sah u.a. die folgende Regelung vor: "Zu Gesprächen, die im Rahmen des Prozesses zur Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung zwischen Geschäftsleitung, Abteilungsleitung und den Arbeitnehmern stattfinden, in denen es sich um disziplinarische (arbeitsrechtliche) Maßnahmen handelt, wird der Betriebsrat gleichzeitig zu Gesprächen eingeladen." Des Weiteren sieht die RBV ein Recht des Arbeitnehmers vor, der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds zu widersprechen.
Die Beteiligten verfuhren seitdem gemäß dieser Regelung, wobei dem Betriebsrat der Anlass eines Gesprächs im Vorfeld nicht mitgeteilt wurde.
Im Oktober 2015 erklärte der Arbeitgeber, die in Rede stehende Regelung verstoße gegen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer, insbesondere gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Er werde deshalb weitere Einladungen des Betriebsrats unterlassen. Daneben bestehe auch keine generelle Einladungspflicht, sondern nur eine solche zu Disziplinar-Gesprächen im Rahmen des Prozesses zur Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung.
Der Betriebsrat wandte sich an das Arbeitsgericht und machte geltend, die Einladungspflicht aus der RBV sei rechtmäßig und diene dem Schutz der Arbeitnehmer, so dass der Arbeitgeber ihr weiter nachkommen müsse. Der Antrag hatte in der zweiten Instanz Erfolg. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.
Die Gründe:
Der Betriebsrat hat ein Recht, zu allen Personalgesprächen, die disziplinarische Maßnahmen gegenüber Arbeitnehmern zum Gegenstand haben, eingeladen zu werden. Der Durchführungsanspruch zur RBV aus ergibt sich aus § 77 Abs. 1 BetrVG i.V.m. der betreffenden Einzelregelung.
Die Auslegung der Regelung ergibt, dass von ihr sämtliche Personalgespräche disziplinarischen Charakters erfasst sind. Der Ansatz des Arbeitgebers, dass nur solche Gespräche gemeint seien, in denen die Disziplinarmaßnahme die drei Bereiche Unternehmens-, Organisations- und Personalentwicklung tangierten, würde der Regelung jeglichen Anwendungsbereich entziehen.
Auch wird das Recht der Arbeitnehmer auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) nicht in unrechtmäßiger Weise verletzt. Zwar ist der Schutzbereich betroffen, wenn der Betriebsrat über ein anstehendes Personalgespräch informiert wird und so um mögliche Disziplinarmaßnahmen weiß. Dieser Eingriff ist aber verhältnismäßig. So wird dem Arbeitnehmer durch die Teilnahme eines kundigen und zur Verschwiegenheit verpflichteten Betriebsratsmitglieds Schutz und Hilfe in einem möglicherweise unangenehmen Personalgespräch gewährt. Daneben erschwert die Regelung eine kurzfristige Anberaumung von Gesprächsterminen. Zudem ist für den Arbeitgeber so nicht erkennbar, ob sich der Arbeitnehmer aktiv um die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds bemüht hat. Mildere Mittel und Verstöße gegen weitere Gesetze sind nicht ersichtlich.
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