Betriebsvereinbarungen zu Jubiläumszuwendungen nach Abschaffung der Steuerfreibeträge i.S.d. § 3 Nr. 52 EStG a.F.
BAG v. 27.2.2019 - 10 AZR 74/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten als Maurer und Gewerke-Verantwortlicher beschäftigt. Er schied nach über 37-jähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit aus dem Arbeitsverhältnis, um Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch zu nehmen. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Tarifbindung des MTV Anwendung. Dieser sieht in § 11 MTV insbesondere vor:
[...]
3. Beschäftigte, die dem Unternehmen 40 Jahre angehören, erhalten anlässlich des Jubiläums eine einmalige Jubiläumszuwendung i.H.v. 2.400 DM
4. Beschäftigte, die 35 Jahre und länger dem Unternehmen angehören, aber noch nicht das 40-jährige Jubiläum erreicht haben, und aus dem Unternehmen wegen Inanspruchnahme der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ausscheiden, erhalten die Jubiläumszuwendung nach Abs. 3 anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
[...]
6. Werden die steuerlichen Freibeträge verändert, verändern sich die Jubiläumszuwendungen in gleichem Maße. Werden sie gestrichen, kann die Höhe der Jubiläumszuwendung in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.
Nachdem § 3 Nr. 52 EStG aufgehoben worden war, schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat die "Betriebsvereinbarung Nr. 5" (BV Nr. 5). Diese bestimmte u.a., dass die bisher geltenden Jubiläumszuwendungen laut bestehendem MTV weiter in bestehender Höhe gezahlt werden. § 11 Abs. 4 MTV wird nicht mehr erwähnt. Der Kläger forderte die Beklagte vergeblich auf, die Jubiläumszuwendung nach § 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 MTV und BV Nr. 5 zu leisten.
Das AG wies die Klage ab, das LG gab ihr statt. Das BAG wies die Revision der Beklagten ab.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Jubiläumszuwendung nach § 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 MTV und BV Nr. 5.
Der Geltungsbereich des MTV ist eröffnet. Der Kläger erfüllt die in § 11 Abs. 4 MTV begründeten Voraussetzungen für den Anspruch auf die Jubiläumszuwendung nach § 11 Abs. 3 MTV. Die durch Aufhebung von § 3 Nr. 52 EStG bedingte "Streichung" der Steuerfreibeträge berührte die Regelung in § 11 Abs. 4 MTV nicht. Infolge der Aufhebung von § 3 Nr. 52 EStG waren zwar Zuwendungen des Arbeitgebers anlässlich eines Jubiläums in voller Höhe steuer- und beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, was dazu führte, dass ein nach § 11 Abs. 4 MTV anspruchsberechtigter Arbeitnehmer aufgrund der Anpassungsautomatik in § 11 Abs. 6 Satz 1 MTV tatsächlich keinen Zahlungsanspruch mehr hatte, weil die Jubiläumszuwendung "nach Abs. 3" aufgrund des vollständigen Wegfalls der Steuerfreibeträge nur noch "null Euro" betrug.
Mit der BV Nr. 5 haben die Betriebsparteien von der ihnen für diesen Fall in § 11 Abs. 6 Satz 2 MTV eingeräumten Regelungsbefugnis jedoch Gebrauch gemacht und die Höhe der Jubiläumszuwendungen neu geregelt. Die BV Nr. 5 hat somit die Regelungen der Höhe der Jubiläumszuwendungen in § 11 Abs. 1 bis 3 MTV abgelöst, die Regelung des § 11 Abs. 4 MTV jedoch nicht berührt. Die Erwähnung der "bisher geltenden Jubiläumszuwendungen" und der Einschub "laut bestehendem MTV, weiter in bestehender Höhe" in der Eingangspassage zu Nr. 1 BV Nr. 5 lassen keinen Zweifel daran, dass allein die Anspruchshöhe in § 11 Abs. 1 bis Abs. 3 MTV neu geregelt wurde.
Die den Betriebsparteien durch § 11 Abs. 6 Satz 2 MTV eingeräumte Regelungsbefugnis beschränkt sich auf die "Höhe" der Jubiläumszuwendungen. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch der aus der Tarifsystematik abgeleitete Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 MTV. Die Tarifvertragsparteien haben vorausgesehen, dass der Wegfall der Steuerfreibeträge Regelungsbedarf erzeugt, weil er aufgrund der Anpassungsautomatik in § 11 Abs. 6 Satz 1 MTV zu der Verringerung der Höhe der Jubiläumszuwendungen "auf Null" führt. Mit der Regelung des § 11 Abs. 6 Satz 2 MTV haben sie den Betriebsparteien für diesen Fall vorsorglich die Regelung der Anspruchshöhe gestattet. Eine Öffnung des MTV für betriebliche Regelungen der Anspruchsberechtigung wegen des Wegfalls der Steuerfreibeträge war weder veranlasst noch erforderlich.
Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des Bundesarbeitsgerichts veröffentlichten Volltext des Urteils klicken Sie bitte hier.
BAG online
Der Kläger war bei der Beklagten als Maurer und Gewerke-Verantwortlicher beschäftigt. Er schied nach über 37-jähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit aus dem Arbeitsverhältnis, um Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch zu nehmen. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Tarifbindung des MTV Anwendung. Dieser sieht in § 11 MTV insbesondere vor:
[...]
3. Beschäftigte, die dem Unternehmen 40 Jahre angehören, erhalten anlässlich des Jubiläums eine einmalige Jubiläumszuwendung i.H.v. 2.400 DM
4. Beschäftigte, die 35 Jahre und länger dem Unternehmen angehören, aber noch nicht das 40-jährige Jubiläum erreicht haben, und aus dem Unternehmen wegen Inanspruchnahme der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ausscheiden, erhalten die Jubiläumszuwendung nach Abs. 3 anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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6. Werden die steuerlichen Freibeträge verändert, verändern sich die Jubiläumszuwendungen in gleichem Maße. Werden sie gestrichen, kann die Höhe der Jubiläumszuwendung in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.
Nachdem § 3 Nr. 52 EStG aufgehoben worden war, schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat die "Betriebsvereinbarung Nr. 5" (BV Nr. 5). Diese bestimmte u.a., dass die bisher geltenden Jubiläumszuwendungen laut bestehendem MTV weiter in bestehender Höhe gezahlt werden. § 11 Abs. 4 MTV wird nicht mehr erwähnt. Der Kläger forderte die Beklagte vergeblich auf, die Jubiläumszuwendung nach § 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 MTV und BV Nr. 5 zu leisten.
Das AG wies die Klage ab, das LG gab ihr statt. Das BAG wies die Revision der Beklagten ab.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Jubiläumszuwendung nach § 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 MTV und BV Nr. 5.
Der Geltungsbereich des MTV ist eröffnet. Der Kläger erfüllt die in § 11 Abs. 4 MTV begründeten Voraussetzungen für den Anspruch auf die Jubiläumszuwendung nach § 11 Abs. 3 MTV. Die durch Aufhebung von § 3 Nr. 52 EStG bedingte "Streichung" der Steuerfreibeträge berührte die Regelung in § 11 Abs. 4 MTV nicht. Infolge der Aufhebung von § 3 Nr. 52 EStG waren zwar Zuwendungen des Arbeitgebers anlässlich eines Jubiläums in voller Höhe steuer- und beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, was dazu führte, dass ein nach § 11 Abs. 4 MTV anspruchsberechtigter Arbeitnehmer aufgrund der Anpassungsautomatik in § 11 Abs. 6 Satz 1 MTV tatsächlich keinen Zahlungsanspruch mehr hatte, weil die Jubiläumszuwendung "nach Abs. 3" aufgrund des vollständigen Wegfalls der Steuerfreibeträge nur noch "null Euro" betrug.
Mit der BV Nr. 5 haben die Betriebsparteien von der ihnen für diesen Fall in § 11 Abs. 6 Satz 2 MTV eingeräumten Regelungsbefugnis jedoch Gebrauch gemacht und die Höhe der Jubiläumszuwendungen neu geregelt. Die BV Nr. 5 hat somit die Regelungen der Höhe der Jubiläumszuwendungen in § 11 Abs. 1 bis 3 MTV abgelöst, die Regelung des § 11 Abs. 4 MTV jedoch nicht berührt. Die Erwähnung der "bisher geltenden Jubiläumszuwendungen" und der Einschub "laut bestehendem MTV, weiter in bestehender Höhe" in der Eingangspassage zu Nr. 1 BV Nr. 5 lassen keinen Zweifel daran, dass allein die Anspruchshöhe in § 11 Abs. 1 bis Abs. 3 MTV neu geregelt wurde.
Die den Betriebsparteien durch § 11 Abs. 6 Satz 2 MTV eingeräumte Regelungsbefugnis beschränkt sich auf die "Höhe" der Jubiläumszuwendungen. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch der aus der Tarifsystematik abgeleitete Regelungszweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 MTV. Die Tarifvertragsparteien haben vorausgesehen, dass der Wegfall der Steuerfreibeträge Regelungsbedarf erzeugt, weil er aufgrund der Anpassungsautomatik in § 11 Abs. 6 Satz 1 MTV zu der Verringerung der Höhe der Jubiläumszuwendungen "auf Null" führt. Mit der Regelung des § 11 Abs. 6 Satz 2 MTV haben sie den Betriebsparteien für diesen Fall vorsorglich die Regelung der Anspruchshöhe gestattet. Eine Öffnung des MTV für betriebliche Regelungen der Anspruchsberechtigung wegen des Wegfalls der Steuerfreibeträge war weder veranlasst noch erforderlich.
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