12.01.2016

CGZP: Rentenversicherung kann von Zeitarbeitsunternehmen Sozialversicherungsbeiträge nachfordern - aber hohe Darlegungslast

Soweit Zeitarbeitsunternehmen ihre Beschäftigten nach dem -unwirksamen - CGZP-Tarifvertrag bezahlt haben, schulden sie nicht nur eine höhere Vergütung, sondern können auch auf Nachzahlung entsprechend höherer Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen werden. Vertrauensschutzaspekte stehen dem nicht entgegen. Allerdings müssen an einem entsprechenden Rechtsstreit alle betroffenen Beschäftigten und begünstigten Sozialversicherungsträger beteiligt werden. Im Übrigen muss die Höhe der nachgeforderten Beiträge konkret belegt werden.

BSG 16.12.2015, B 12 R 11/14 R
Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH betreibt Arbeitnehmerüberlassung. Sie war Mitglied eines Arbeitgeberverbands und wandte auf die Arbeitsverträge die zwischen diesem Arbeitgeberverband und der CGZP geschlossenen Tarifverträge an. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund hatte 2009 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2005 bis 2008 durchgeführt und im Anschluss einen Nachforderungsbescheid über einen kleineren Betrag erlassen.

Mit Beschluss vom 14.12.2010 (Az.: 1 ABR 19/10) stellte das BAG fest, dass die CGZP nicht die Mindestvoraussetzungen erfüllt, um als Gewerkschaftsspitzenorganisation wirksame Tarifverträge abschließen zu können. Daraufhin machte die Beklagte bei über 3.000 Arbeitgebern, darunter auch die Klägerin, für die vergangenen Jahre Beitragsnachforderungen von zusammen mehr als 220 Mio. Euro geltend. Bei der Klägerin führte sie 2012 eine Betriebsprüfung für die Jahre 2005 bis 2011 durch und erließ sodann einen Nachforderungsbescheid über ca. 75.000 Euro.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage rügte die Klägerin vor allem eine Verletzung des Vertrauensschutzgebots. Sie habe sich darauf verlassen dürfen, dass die CGZP-Tarifverträge wirksam gewesen seien. Die BAG-Entscheidung vom 14.12.2010 verstoße zudem gegen das Rückwirkungsverbot. Im Übrigen seien die Beitragsforderungen zu hoch bemessen. Die Beklagte sei auch nicht zur (teilweisen) Schätzung berechtigt gewesen.

Das SG gab der Klage statt. Auf die Sprungrevision hob das BSG diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurück.

Die Gründe:
Es kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob und ggf. in welchem Umfang die Beitragsnachforderung berechtigt ist. Die Nachforderung ist zwar grds. zulässig; jedenfalls die genaue Höhe der Forderung muss aber noch weiter geprüft werden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes der Nachforderung nicht entgegen. Dies ergibt sich aus den vorangegangenen Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit und beim Bundesverfassungsgericht. Auch nach dem Sozialversicherungsrecht besteht in diesem Fall kein Anspruch auf Vertrauensschutz.

Wegen der unwirksamen tariflichen Regelungen haben die Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf ein gleich hohes Arbeitsentgelt, wie es die Stammbeschäftigten des Entleihunternehmens erhalten (equal pay). Hiernach richtet sich dann auch die Beitragshöhe. Allerdings lässt sich derzeit noch nicht verfahrensfehlerfrei entscheiden, in welcher Höhe und für welche Zeiträume genau Beiträge nachzuzahlen sind:

  • Vor einer abschließenden Entscheidung müssen zunächst die betroffenen Beschäftigten und alle insoweit von den nachgeforderten Beiträgen begünstigten anderen Sozialversicherungsträger als notwendig Beigeladene am Rechtsstreit beteiligt werden.
  • Darüber hinaus müssen Tatsachenfeststellungen dazu nachgeholt werden, welche Beiträge auf welche konkreten Entgeltansprüche entfallen und welche Beitragsanteile darüber hinausgehend auf einer (an sich grundsätzlich zulässigen) Schätzung beruhen.
  • Sollen zudem - wie hier - über die vierjährige Verjährungsfrist hinaus Beiträge wegen vorsätzlicher Vorenthaltung unter Berufung auf die 30-jährige Verjährungsfrist nacherhoben werden, bedarf es genauerer Feststellungen zum Vorsatz, also zum Beispiel zu Kenntnis und Verhalten der im Betrieb verantwortlichen Personen.

Der Hintergrund:
Mit dieser Entscheidung hat sich das BSG zum ersten Mal mit der sozialversicherungsrechtlichen Seite der CGZP-Problematik befasst. Die weitere Konkretisierung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten.

BSG PM Nr. 30/15 vom 16.12.2015
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