30.09.2024

Corona-Selbsttestung einer Pflegekraft stellte keine vergütungspflichtige "Arbeit" dar

Der Arbeitnehmerin war es als Pflegekraft im streitgegenständlichen Zeitraum untersagt, ihre Arbeit überhaupt anzutreten, bevor sie nicht einen negativen Coronatest nachweisen konnte. Damit diente die Durchführung der Tests nicht ausschließlich einem fremden Bedürfnis. Auch die Tatsache, dass sie das Testergebnis nicht nur per E-Mail, sondern auch per Post zu übersenden hatte, stellte ebenfalls keine vergütungspflichtige "Arbeit" dar.

LAG Niedersachsen v. 6.9.2024 - 14 Sa 348/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei der Beklagten, die eine ambulante Kinderkrankenpflege betreibt, in der Zeit vom 1.11.2020 bis zum 31.3.2022 als examinierte Gesundheits- und Kranken-/Kinderpflegerin zur Betreuung eines körperlich und geistig eingeschränkten und immungeschwächten Kindes beschäftigt. Dieses Kind betreute die Klägerin zu Hause und in der Schule. Im Zeitraum von Januar bis Juni 2021 führte die Klägerin auf Weisung der Beklagten insgesamt 38 Corona-Selbsttests durch und in der Zeit von Juli 2021 bis März 2022 insgesamt 57 Tests. Hierzu erhielt sie von der Beklagten Testmaterial und war gehalten, den Test auf Formularen der Beklagten zu dokumentieren. Die Klägerin desinfizierte sich vor Durchführung der Tests die Hände, wobei zwischen den Parteien streitig blieb, ob die Beklagte dies anordnet hatte.

Die Klägerin hat die Vergütung für die insgesamt 95 durchgeführten Selbsttests geltend gemacht und hierzu behauptet, sie habe für jeden Test eine halbe Stunde aufgewendet. Drei Minuten habe die Vorbereitung incl. Dokumentation gedauert, weitere 20 Minuten die Durchführung und Wartezeit und weitere sieben Minuten die Nachbereitung einschließlich Dokumentation und Versendung. Sie war der Ansicht, die Testzeit sei vergütungspflichtig, weil sie wie im Fall unabdinglicher Schutzkleidung gar nicht hätte eingesetzt werden können. § 28b IfSG sei eine arbeitsschutzrechtliche Norm. Die Beklagte hielt dagegen, die für die Selbsttests aufzuwendende Zeit stünde nicht lediglich im Interesse des Arbeitgebers und sei daher nicht vergütungspflichtig.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung der Vergütung i.H.v. 810,35 € brutto abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den angeblich für die Selbsttests aufgewendeten Zeiten nicht um vergütungspflichtige Arbeitszeiten i.S.d. § 611a Abs. 2 BGB handelte.

Die Beklagte hatte der Klägerin nicht aufgrund ihres arbeitsvertraglichen Weisungsrechts Tätigkeiten abverlangt, die als "Arbeit" anzusehen waren, sondern sie war staatlichen Vorgaben gefolgt, die sowohl von ihr als Arbeitgeberin auch von der Klägerin als Arbeitnehmerin im streitgegenständlichen Zeitraum einzuhalten waren. Der Klägerin war es im streitgegenständlichen Zeitraum untersagt, ihre Arbeit überhaupt anzutreten, bevor sie nicht einen negativen Coronatest nachweisen konnte. Damit diente die Durchführung der Tests nicht ausschließlich einem fremden Bedürfnis.

Soweit die Beklagte der Klägerin auferlegt hatte, die Testung nicht lediglich durchzuführen, sondern zu dokumentieren, entsprach dies ebenfalls den Vorgaben in der Verordnung, wonach das Testergebnis der Leitung vorzulegen war. Eine derartige Dokumentation wäre auch vorgenommen worden, wenn die Klägerin sich zu einem Testzentrum begeben hätte. Stattdessen konnte die Klägerin die Testpflicht zeit- und kostensparend bequem von zu Hause aus erfüllen, was bei weitem nicht allen Beschäftigten ermöglicht wurde. Das übersichtliche und sehr schnell auszufüllende Formular der Beklagten enthielt auch keine Weiterungen, die als ausschließlich fremdnützig anzusehen gewesen wären.

Die Tatsache, dass die Klägerin das Testergebnis nicht nur per E-Mail, sondern auch per Post zu übersenden hatte, stellte ebenfalls keine vergütungspflichtige "Arbeit" dar. Soweit die Beklagte hier eine digitale und analoge Nachweismöglichkeit bei evtl. Kontrollen erhielt, ohne dass derartiges verpflichtend gewesen wäre, wurde die Möglichkeit der Klägerin, ihre Freizeit eigenständig zu gestalten, hierdurch nur in einem völlig unerheblichen Maße beeinträchtigt, sodass unter Berücksichtigung von § 241 Abs. 2 BGB nach dem Rechtsgrundsatz minima non curat praetor nicht von einer vergütungspflichtigen Arbeit auszugehen war (vgl. zur Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne BAG v. 23.8.2023 - 5 AZR 349/22 -).

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Aufsatz

Dominik Meinecke
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DB 2024, DB1464823

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