03.06.2019

Die vorgeschriebene Verhältniswahl bei der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder ist bindend

Von der nach § 38 Abs. 2 BetrVG gesetzlich vorgeschriebenen Verhältniswahl bei der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder kann auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Betriebsrat beabsichtigt, jedem freizustellenden Mitglied bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Wird die Wahl nach § 38 Abs. BetrVG nicht als Verhältniswahl durchgeführt, sondern jedes freizustellende Mitglied in getrennten Wahlgängen gewählt, führt dies zur Nichtigkeit der gesamten Wahl.

Arbeitsgericht Bonn 7.3.2019, 3 BV 87/18
Der Sachverhalt:
Die Antragsteller sind Mitglieder des bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrates. Dieser besteht aus 27 Mitgliedern, von denen 24 bei der Gewerkschaft W. und drei bei der Gewerkschaft E. organisiert sind. Auch die beiden Antragsteller sind bei der E. organisiert. Der Zuordnungstarifvertrag der Arbeitgeberin regelt, dass dem Betriebsrat 23 Freistellungen zustehen.

Am 28.3.2018 wurden in 23 getrennten Wahlgängen die freigestellten Mitglieder des Betriebsrates gewählt. Diese waren ohne Ausnahme Mitglieder der Gewerkschaft W. Die von den Antragstellern gewünschte Verhältniswahl war zuvor von der Mehrheit des Betriebsrates abgelehnt worden.

In einer Betriebsratssitzung vom 9.5.2018 wurde der Antrag der Antragsteller, die Wahl der Freistellungen vom 28.3.2018 für unwirksam zu erklären und die Neuwahl mit Verhältniswahl durchzuführen, von der Betriebsratsmehrheit abgelehnt. Daraufhin verzichtete das freigestellte Betriebsratsmitglied E. auf sein Amt, so dass am 9.5.2018 der G. als neues freigestelltes Betriebsratsmitglied von der Betriebsratsmehrheit gewählt wurde.

Die Antragsteller waren der Ansicht, dass die Wahlen vom 28.3.2018 und vom 9.5.2018 anfechtbar bzw. nichtig seien, da die gem. § 38 Abs. 2 BetrVG vorgeschriebene Verhältniswahl nicht durchgeführt worden sei. Das Arbeitsgericht gab den Anträgen statt und erklärte die Wahlen für nichtig.

Die Gründe:
Die angegriffenen Wahlen vom 28.3. und 9.5.2018 enthielten grobe Verstöße gegen die gesetzlichen Wahlvorschriften.

Von der nach § 38 Abs. 2 BetrVG gesetzlich vorgeschriebenen Verhältniswahl bei der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder kann auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Betriebsrat beabsichtigt, jedem freizustellenden Mitglied bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Wird die Wahl nach § 38 Abs. BetrVG nicht als Verhältniswahl durchgeführt, sondern jedes freizustellende Mitglied in getrennten Wahlgängen gewählt, führt dies zur Nichtigkeit der gesamten Wahl.

Ein Verstoß gegen die Wahlvorschrift des § 38 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist bereits wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts als grober Verstoß gegen Wahlvorschriften anzusehen. Darüber hinaus ist § 38 Abs. 2 BetrVG von dem Minderheitenschutz als wichtiger Bestandteil des Betriebsverfassungsgesetzes geprägt, dass der Verstoß gegen § 38 Abs. 2 S. 1 BetrVG besonders schwerwiegt, wie das vorliegende Ergebnis zeigte.

Bei einer Verhältniswahl hätte die Minderheitenliste im Betriebsrat nämlich zwei freizustellende Betriebsratsmitglieder erhalten, während die Mehrheit im Betriebsrat durch die angegriffenen Wahlen alle freizustellenden Betriebsratsmitglieder erhalten hat. Da die Wahlen nach Auffassung der Kammer bereits wegen des offensichtlichen und auch besonders groben Verstoßes gegen die Wahlvorschrift des §§ 38 Abs. 2 S. 1 BetrVG nichtig waren, kam es auf die Einhaltung der Anfechtungsfrist nicht mehr an.

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