Divergierende Rechtsprechung: Müssen Arbeitnehmer eine unbillige Weisung zunächst befolgen?
BAG 14.6.2017, 10 AZR 330/16Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 2001 angestellt. Zuletzt war er als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund beschäftigt. Im Jahr 2013/14 war zwischen den beiden Parteien ein Kündigungsrechtsstreit wegen Arbeitszeitbetrugs anhängig, der zugunsten des Klägers entschieden wurde.
Im März 2014 weigerten sich Mitarbeiter der Beklagten, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihn für die Zeit vom 16.3. bis zum 30.9.2015 am Standort Berlin einsetzen werde. Sie sagte ihm zu, die Kosten für die doppelte Haushaltsführung für 24 Monate zu erstatten, und hörte den Betriebsrat zu der Versetzungsentscheidung an. Dieser verweigerte die Zustimmung und verwies auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten am Standort Dortmund. Dem Betriebsrat wurde sodann mitgeteilt, dass der Kläger vorläufig versetzt werde.
Da der Kläger die Aufnahme seiner Arbeitstätigkeit am Standort Berlin verweigerte, mahnte ihn die Beklagte mehrfach ab und kündigte schließlich das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kläger erhob u.a. Klage, um feststellen zu lassen, dass er nicht verpflichtet war, der Weisung des Arbeitgebers Folge zu leisten. Vor dem Arbeitsgericht und dem LAG hatte die Klage Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Klageabweisung weiter.
Die Gründe:
Über die Revision der Beklagten kann noch nicht abschließend entschieden werden. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet war, der Weisung seines Arbeitgebers Folge zu leisten und in der Zeit vom 16.3. bis zum 30.9.2015 am Standort in Berlin für diesen zu arbeiten. Das LAG ist der Auffassung, dass die Arbeitsvertragsvereinbarungen zwar grds. eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort zulassen würden; die Versetzung von Dortmund nach Berlin aber eine unbillige Ermessensentscheidung darstelle. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß der Rechtsprechung des Fünften Senats (22.2.2012 - 5 AZR 249/11) hat ein Arbeitnehmer allerdings eine unbillige Weisung, die nicht aus anderen Gründen bereits unwirksam ist, erst einmal zu befolgen, bis deren Unwirksamkeit rechtskräftig durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt wurde.
Der Zehnte Senat hingegen möchte die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet ist, einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers Folge zu leisten - auch nicht vorläufig bis zur gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit. Er fragt daher gem. § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG beim Fünften Senat an, ob dieser an seiner Auffassung festhält.
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