13.06.2013

Eine Betriebsratswahl ist bei mehr Stimmabgaben als vermerkten Wählern anfechtbar

Eine Betriebsratswahl (hier: im Volkswagen-Werk Hannover) ist anfechtbar, wenn die Zahl der in den Wahlurnen befindlichen Stimmen mit der Zahl der Stimmabgabevermerke in der Wählerliste nicht übereinstimmt und die Differenz so groß ist, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen kann. Der hierin liegende Verstoß gegen § 12 Abs. 3 der Wahlordnung zum BetrVG (WO) lässt sich auch nicht nachträglich - z.B. durch Protokolle oder Zeugenaussagen über die Stimmabgaben - heilen.

BAG 12.6.2013, 7 ABR 77/11
Der Sachverhalt:
Bei der im Frühjahr 2010 im Volkswagen-Werk Hannover durchgeführten Betriebsratswahl wurde die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer seine Stimme abgegeben hatte, durch Einscannen eines Wahlcodes auf den Werksausweis mit entsprechendem Vermerk in der elektronischen Wählerliste erfasst. Nach der Wahl befanden sich 105 Stimmzettel mehr in den Wahlurnen als Stimmabgabenvermerke in der elektronischen Wählerliste.

Mehrere wahlberechtigte Arbeitnehmer fochten die Betriebsratswahl aus diesem Grund an. Das Arbeitsgericht erklärte die Betriebsratswahl daraufhin für unwirksam. Das LAG wies die Anträge dagegen nach einer Beweisaufnahme ab. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragsteller hatte vor dem BAG Erfolg.

Die Gründe:
Die Betriebsratswahl ist wegen eines Verstoßes gegen § 12 Abs. 3 WO anfechtbar und unwirksam.

Nach § 19 BetrVG kann die Wahl eines Betriebsrats beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und sich der Verstoß auf das Wahlergebnis auswirken konnte. Zu den wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren gehört u.a. § 12 Abs. 3 WO. Danach wirft der Wähler bei der Wahl den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist. Im Zusammenhang mit § 12 Abs. 3 WO ist Folgendes zu beachten:

  • Durch den in der Wählerliste anzubringenden Stimmabgabevermerk wird verhindert, dass nicht zur Wahl berechtigte Personen eine Stimme abgeben oder Wahlberechtigte mehrfach wählen.
  • Bei elektronisch geführten Wählerlisten kann die Stimmabgabe auch elektronisch vermerkt werden.
  • Eine spätere Ergänzung oder Berichtigung der Stimmabgabevermerke ist nicht zulässig.
  • Die Stimmabgabe der Wähler kann auch nicht auf andere Weise als durch die Vermerke in der Wählerliste festgestellt oder bewiesen werden.

Es stellt danach einen Verstoß gegen § 12 Abs. 3 WO dar, wenn sich nach Abschluss der Wahl ergibt, dass sich in den Wahlurnen mehr Stimmzettel befinden, als die Wählerliste an abgegebenen Stimmen ausweist. Dieser Verstoß lässt sich nicht nachträglich heilen. Insbesondere kann nicht auf andere Weise - etwa durch nachträgliche Auswertung von Protokollierungsdateien oder durch Befragung von Zeugen - der Nachweis geführt werden, dass weitere Wähler als diejenigen, deren Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt ist, ihre Stimme abgegeben haben.

Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Betriebsratswahl unwirksam. Bei der Wahl befanden sich deutlich mehr Stimmzettel in den Wahlurnen als Stimmabgabevermerke in der elektronischen Wählerliste. Hierdurch konnte das Wahlergebnis beeinflusst werden. Der später unternommene Versuch, durch Auswertung von Protokollierungsdateien und Befragung von Arbeitnehmern die Differenz zu erklären, war nicht zulässig.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.

BAG PM Nr. 38 vom 13.6.2013
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