Einem Chefarzt kann bei Verschweigen einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung fristlos gekündigt werden
Hessisches LAG 5.12.2011, 7 Sa 524/11Der 52-jährige Kläger ist habilitierter Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Zum 1.11.2009 stellte die beklagte Klinik ihn als Chefarzt zur Leitung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe ein. Zuvor hatte der Kläger folgende Erklärung unterzeichnet:
"Ich erkläre, dass ich über die vorstehenden Angaben hinaus nicht gerichtlich bestraft oder disziplinarisch belangt worden bin. Außerdem erkläre ich, dass gegen mich kein (weiteres) Strafverfahren, Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder Disziplinarverfahren anhängig ist. Ich verpflichte mich, von jedem gegen mich eingeleiteten Straf- oder Ermittlungsverfahren und jeder gerichtlichen Verurteilung Mitteilung zu machen."
Gegen den Kläger war jedoch 2002, als er in einer anderen Klinik tätig war, eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung eines Neugeborenen erstattet worden, weil er einen Kaiserschnitt zu spät eingeleitet haben soll. Auf die Strafanzeige wurde im Oktober 2006 Anklage erhoben. Das Amtsgericht setzte das Strafverfahren wegen des parallel betriebenen Schmerzensgeldprozesses zunächst aus. Nachdem der Kläger zu 15.000 € Schmerzensgeld verurteilt worden war, nahm das Amtsgericht das Strafverfahren wieder auf und verurteilte den Kläger im August 2010 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 13.500 €.
Als die Beklagte im August 2010 aus der Presse von dem Vorfall erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hob das LAG diese Entscheidung auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam fristlos gekündigt. Denn der Kläger hat es trotz ausdrücklicher und eindeutiger Verpflichtung unterlassen, die Beklagte über das gegen ihn anhängige Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung zu informieren. Angesichts der von der Beklagten verlangten Erklärung war es für den Kläger offensichtlich, welch hohen Stellenwert die Beklagte dem guten Ansehen ihrer Beschäftigten - zumal in leitender Stellung - beimisst.
Entgegen der Auffassung des Klägers war eine Information der Beklagten über das Strafverfahren auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich um eine "alte Angelegenheit" gehandelt hat. Die Position eines Chefarztes hat eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung und den Ruf der Kliniken. Deshalb hat die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, sich sofort von einem Mitarbeiter in dieser Position zu trennen, wenn sich herausstellt, dass dieser nicht nur wegen eines in ähnlicher Funktion begangenen Tötungsdelikts verurteilt wurde, sondern es trotz ausdrücklich übernommener Verpflichtung unterlassen hat, ihr von dem Strafverfahren Mitteilung zu machen.
Es ist auch nicht zu erwarten, dass das durch die Pflichtverletzung zerstörte und für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauensverhältnis wieder hergestellt werden kann.
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